Kurzkritik Kabarett:Hallo wach

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Chin Meyer mit "Macht! Geld! Sexy?"

Von Thomas Becker, München

Er ist schon eine Nummer, dieser Chin Meyer. Eigentlich heißt er Christian, doch sein spiritueller Meister in Indien nannte ihn Chin, und warum sollte er damit seinen Allerweltsnamen nicht ein wenig aufpeppen. Irgendwie muss man sich ja von der Masse abheben, wenn man sein Geld als Darsteller verdient. So ist es durchaus stringent, dass der Mittfünfziger irgendwann die Hosen runterlässt und im schrillen Dollarnoten-Anzug da steht. "Macht! Geld! Sexy?" heißt sein siebtes Solo-Programm, Untertitel: "Scheinwelten zum Wachwerden und Ablachen". Kommt hin: Lachen muss man oft, und wach ist man nach der Schreierei allemal.

Es ist unüberhörbar, dass Meyer auf der Straße gelernt hat. Um sein Schauspielstudium in London zu finanzieren, jobbte er Ende der Achtzigerjahre nicht nur als Musical-Sänger, sondern auch als "Human Juke Box", sang auf Knopfdruck das gewünschte Lied und das ziemlich laut. Die Lautstärke ist ihm als Indoor-Kleinkünstler geblieben, was dazu führt, dass sich der Sitznachbar im Lustspielhaus kurzzeitig mal die Ohren zuhält. Dabei würde man Meyer auch so lauschen, hat er doch recht viel Kluges zu erzählen. Auch Menschen, die den Wirtschaftsteil der Zeitung ungelesen ins Altpapier stecken, hören zu, wenn er über Sozialmarketing, Finanzinfarkt, Lobbyistentum, Künstliche Intelligenz und Cash-burn-Raten spricht. Damit kennt er sich aus als Ex-Roulette-Zocker.

Von seiner Zeit bei "Pomp, Duck & Circumstance" hat Meyer die Figur des Steuerfahnders "Siegmund von Treiber" mitgebracht, die von humorbegabten Unternehmen gern als Keynote-Speaker gebucht wird. Chin Meyer ist ein Wandler zwischen den Welten, kann Börsensprech, trifft aber auch den Ton des sogenannten kleinen Mannes, Stichwort Improvisationstheater. Wer als Besucher lieber seine Ruhe hat, sollte allerdings die ersten Reihen meiden, sonst kann es einem passieren, dass der Inquisitor Meyer mal eben die Beziehungsgenese abfragt und daraus ein Stegreif-Chanson bastelt.

© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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