Kurzkritik: Kabarett:Giftspuckend

Erwin Pelzig wütet furios im Lustspielhaus

Von Thomas Becker

Der Pelzig. Vor eineinhalb Jahren hat er dem Fernsehen Ade gesagt, fünf Jahre sind seit seinem jüngsten Programm vergangen, und wenn man ihn jetzt so auf der Bühne des Lustspielhauses rumrumpelstilzchen sieht, dann wird deutlich: Da hat sich wohl so einiges aufgestaut. Und das muss jetzt raus. Mit einer solchen Verve und Unbedingtheit, dass man sich an einigen Stellen fast Sorgen macht um den Blutdruck von Frank-Markus Barwasser, in dem der Pelzig seit fast einem Vierteljahrhundert steckt.

"Weg von hier" heißt sein nun achtes Programm - es ist das bislang furioseste, wütendste und atemloseste. Wie im Rausch galoppiert Barwasser durch die Phalanx aller derzeit relevanten Themen, mit einem Furor wie früher nur Lothar Dombrowski alias Georg Schramm, alles haarklein recherchiert, den Wissenswust mühsam eingedampft und publikumsgerecht aufbereitet. Ihm ist klar, dass den Zuschauern nach zweieinhalb Stunden Vollgaskabarett der Schädel brummt, aber es hilft ja nichts. Alles muss raus.

Das Setting: Der Franke Pelzig fremdelt mit der "bostfakdischen" Zeit, alles wirkt apokalyptisch und endzeitlich auf ihn, selbst die Zeugen Jehovas grinsen neuerdings. Doch die Zeit bejammern ist nicht sein Ding. Vielmehr nennt er Ross und Reiter, ätzt gegen Gier und Verkommenheit, gegen die Mays, Orbans und Trumps dieser Welt, spuckt Gift und Galle, mahnt Haltung an, empfiehlt Perspektivwechsel, fragt, wo der Hass herkommt, landet bei Kierkegaard, bei Kant und der Aufklärung. Von Zeigefinger-Kabarett ist das weit entfernt. Vielmehr wird einem klar, wie regelmäßig man sich vor unbequemen Themen wegduckt. Gleich morgen will auch Pelzig damit aufhören. Oder doch erst am Montag? Gut, dass er wieder da ist, der Pelzig. Wir haben ihn dringend nötig.

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