Kurzkritik:Italienische Nacht

Pippo Polina weckt im Brunnenhof die Sehnsucht nach dem Meer

Von Jürgen Moises

Das Meer, das ist, so Pippo Pollina, das einzige, was er in Zürich vermisst, wo er seit 25 Jahren lebt. Eine Sehnsucht, die ihn und seine Band vor vielen Jahren auch auf Tour traf, wie er bei seinem umjubelten Konzert im Brunnenhof der Residenz erzählt. Mit der Folge, dass sie damals mit mediterraner Vorfreude in Wilhelmshaven einfuhren. Die erhofften Strandcafés gab es dort dann aber doch nicht. Das Meer, den Süden, das hat man beides auch im Brunnenhof ständig im Kopf. Wegen der Hitze, mit der München Italien derzeit Konkurrenz macht. Wegen Pollinas italienischem Gesang. Und weil auch das Album "Süden" heißt, das der aus Sizilien stammende Liedermacher 2012 mit Werner Schmidbauer und Martin Kälberer aufnahm. Als Pollina das große Abschiedskonzert der zugehörigen Tour in Verona vor genau zwei Jahren erwähnt, gibt es Begeisterungsschreie aus dem Publikum. Schmidbauer und Kälberer, die dürften einige vermisst haben. Aber dafür hatte Pollina mit seinem fünfköpfigen Palermo Acoustic Quintett erstklassigen Ersatz dabei. Nicht nur, weil der junge Gitarrist Max Kämmerling beim "Süden"-Lied "Passa Il Tempo" Schmidbauers Dialekt sehr charmant imitiert. Sondern weil sie alle großartige Instrumentalisten sind. Pollina selbst imitiert bei "Questa nuova realtà" kurz Konstantin Wecker, denn auch mit ihm ist er seit vielen Jahren eng verbunden. Für die chilenische Gesangs-Ikone Violeta Parra gibt es mit "Gracias a la vida" ebenfalls eine kleine Huldigung. Und für die Siebziger, die Pollina in "Anni Settanta" besingt, als es damals noch Menschen gab, die für ihre Überzeugungen einstanden.

Dass der 53-jährige auch selbst zu dieser aussterbenden Art gehört, vergisst man ab und zu. Zum Beispiel wenn einem Pollina, wie etwa beim Lied "Centopassi", über einen von der Mafia ermordeten Journalisten, so manch kritische Sentenz mit betörender Stimme und eleganten Pop- und Folk-Rhythmen ins Ort träufelt. Oder wenn das Konzert beim Mitklatsch-Finale mit "Camminando" und "Bella Ciao" fast zur Italo-Disco wird. Bis Pippo Pollina das Konzert schließlich genauso beendet, wie er es begonnen hat: mit einer besinnlichen Ballade, die einen mit leichter Wehmut in die laue, meerlose Münchner Sommernacht entlässt.

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