Kurzkritik:Innige Nähe

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Igor Levits Beethoven-Zyklus im Prinzregententheater

Von Rita Argauer, München

Als Igor Levit zur Zugabe ansetzt, geht ein Lachen durch das Publikum. Denn Levit, dem gerade frenetisch applaudiert wurde und bei dessen Auftakt zu seinem Beethoven-Sonaten-Zyklus im Prinzregententheater eine Stimmung im Auditorium herrscht, als sei man hier gerade bei etwas außergewöhnlich Großem dabei, spielt das einstimmige, fast kindliche Walzer-Thema von Schostakowitschs "Valse Scherzo" extrem langsam und extrem leise. Doch Levit entlockt dieser Zugaben-Miniatur einen fernen Zauber, abseits der stupenden Virtuosität mit der er zuvor Beethovens Waldstein-Sonate beendet hat. Hier schlagen Witz und Intellekt dieses Pianisten durch, die ihn tatsächlich zu einem derzeit herausragenden Musiker machen.

Doch auch während des eigentlichen Programms ist diese Klugheit spürbar. Auch wenn die monothematische Ausrichtung weniger Spielraum für solch kühn zusammengestellte Aussagen bietet, wie er sie etwa zuletzt in seinen Solo-Konzerten bei den Salzburger Festspielen bot. Denn nun muss Levit all seinen Aussagewillen aus Beethoven und dessen Sonaten herausholen. Dabei begibt er sich in eine innige Nähe zu Werk und Komponist. Er entscheidet sich für brüchig-suchende Phrasierungen bei Ludwig van Beethovens Anfängen, besonders in der ersten Sonate (op. 2, Nr. 1) und lässt in der Zwölften (op. 26) schon ein wenig romantisches Rauschen durchschimmern. In der Waldstein-Sonate brilliert er schließlich in höllischem Tempo und begegnet der späten Sonate Nr. 25, op. 79 trotz des Harschen mit einer großen Ruhe und Unaufgeregtheit.

In der ersten Matinee seines Zyklus' skizziert Levit über die Musik Beethovens Schaffen als eine Art Entwicklungsroman. Man folgt den frühen Versuchen, die strenge Kompositionsform zu verwirklichen und gleichzeitig daraus auszubrechen, man arbeitet sich im Zuhören gemeinsam mit Beethoven daran ab, um zum Schluss ein trügerisches Gleichgewicht von Form und Sentiment zu spüren. Levit, in bisweilen kühnen Phrasierungen und extrem vielseitigem Ausdruck, stellt sein Können dabei in den Dienst Beethovens, ohne in Werktreue zu versinken.

© SZ vom 21.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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