Bedrohlich wachsende Schatten huschen vom Bühnenrand in das ikonische Rechteck aus rotem Scheinwerferlicht: Die amerikanische Band Interpol betritt in diesem Moment nicht nur die Bühne der Muffathalle, sondern steigt in das Cover ihres Debütalbums "Turn On The Bright Lights". Die unscharfe Frontalaufnahme eines roten, rechteckigen Lichtfelds hatte der Fotograf Sean McCabe in einem Londoner Theater geschossen. 2002 sollte die Gruppe das mysteriöse Bild als Cover für ihre erste Platte auswählen. 15 Jahre später ist es am Mittwoch die Kulisse für eine Band, die von nun an an der eigenen Musealisierung zu arbeiten scheint.
Nur kurz nachdem die anderen New Yorker Retro-Ikonen The Strokes mit "Is This It?" das große Indie-Rock-Revival losgetreten hatten, erschien "Turn On The Bright Lights" in einem gänzlich anderen Amerika - dem nach 9/11. Die mit düsterem Bariton und selbstzerstörerischer Coolness vorgetragenen Texte des Sängers Paul Banks erzählen darauf morbide Gruselgeschichten aus der Großstadthölle, berichten unheilvoll aus dem Fegefeuer der Zwischenmenschlichkeiten. Von Isolation, Selbsthass und einer schwarzen Langeweile befallene Gestalten wandeln durch die Stücke, als wären sie einem Philip-Roth-Roman entkommen, um nun sehnsüchtig in den nächsten Abgrund zu stürzen.
Mit einer großen Tour feiern Interpol in diesem Sommer auf europäischen Festival- und Club-Bühnen den fünfzehnten Geburtstag ihres Debütalbums. In der ausverkauften Muffathalle gibt die Band nach einigen Klassikern wie "Slow Hands" von neueren Alben eine werkgetreue Aufführung ihrer ersten Platte - in exakter Reihenfolge und mit minimalsten Variationen. Die brachialen Stakkato-Gitarren und feinen Arrangements von Post-Punk-Stücken wie "Untitled" oder "PDA" überzeugen noch heute. Aber: Was kommt für eine Band noch nach der eigenen Zweitverwertung? Hoffentlich nicht der Echo für das Lebenswerk.