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"Bis zum Äußersten" im Theater und so fort

Von Egbert Tholl

Manche werden sich an den Film noch erinnern. "Extremities" kam 1986 ins Kino, lief danach auch im Fernsehen. Darin überwältigt Majorie einen Kerl namens Joe, der in ihre Wohnung eindringt, sie vergewaltigen und vermutlich auch ermorden will. Majorie sperrt ihn in den Kamin und denkt darüber noch, ihn zu töten und im Garten zu verscharren. Eine Idee, die bei ihren beiden Mitbewohnerinnen unterschiedliche Reaktionen auslöst. Am Ende rufen sie schließlich die Polizei. Im Film spielte Farrah Fawcett die Majorie, in München tut dies Katharina Allesch.

Denn: Bevor es den Film gab, gab es bereits das Theaterstück von William Mastrosimone. Dieses hat nun Heiko Dietz in seinem Theater Undsofort inszeniert, als dichtes Kammerspiel mit recht erstaunlichen Darstellern. Den Joe, der im Stück Raul heißt, spielt Stephan Neumüller, der damit sein Diplom an Dietz' Schauspielschule macht. Vor vielen Jahren spielte er in den wunderbar absonderlichen Theaterunternehmungen des Kollegen Brembeck mit; damals war nicht ohne weiteres absehbar, dass aus ihm das werden würde, was nun geworden ist. Neumüller, eine Naturbegabung mit enormer physischer Präsenz, hat gelernt, diese beeindruckend einzusetzen. Mal als brutaler Vergewaltiger, den nur ein Insektenspray von der Tat abhält, dann als larmoyanter Bubi, der mit seiner Heulerei nur eines im Sinn hat: Die drei Mädels über den Tisch zu ziehen. Am Ende blitzt die Brutalität wieder auf.

Man merkt dem Stück an, dass es aus den Achtzigerjahren stammt. Aber: Die Kernfrage, die leider stets aktuell bleibt, die ist weiterhin ungelöst. Wie kann eine Frau den Versuch einer Vergewaltigung beweisen? Das annähernd Unmögliche dieses Ansinnens treibt Marjorie zur Tat. Aus Selbstschutz würde sie fast zur Mörderin, und ja, zwischenzeitlich, so wie Neumüller das spielt, hätte man kaum etwas dagegen einzuwenden. Allesch spielt großes Psychodrama, reichlich schonungslos, also gut. Ihre Mitbewohnerinnen schwanken zwischen Betulichkeit, Angst und Pragmatismus. Alle miteinander hauchen sie dem thetischen Text viel Bühnenleben ein, auch wenn es nicht gerade ein Sommerspaß wird.

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