Kurzkritik:Hexenmeisterlich

Das Kammerorchester und das Teuflische

Von DIRK WAGNER

Wie oft wurde die Rockmusik als satanisch verteufelt! Von Sittenwächtern, die orientierungslose Jugendliche aus den Fängen der bösen Rockkultur befreien wollten, um sie den Weihen einer klassischen Musik zu überführen.

Aus Anlass des Faust-Festivals in München belegt das Münchener Kammerorchester indes, dass auch die lichte Klassik ihre dunklen Seiten hat. Beschreibungen etwa ihres Teufelsgeigers Niccoló Paganini als "widerlicher Frauenverführer" und "Dämon, der mit dem Teufel im Bunde sei" unterscheiden sich kaum von dem, wie mehr als 200 Jahre später Mick Jagger, der Sänger der Rolling Stones, beschrieben wurde, als diese mit "Sympathy For The Devil" die Jugend verführten.

Darum ist es nur konsequent, wenn das Kammerorchester ihr Programm nach jenem Stones-Titel benennt, das in der Versicherungskammer den Teufel in Werken von eben jenem Paganini (Violinkonzert No. 1 D-Dur, Op. 6, 1. Satz), George Crumb ("Black Angels") und Boccherini (Sinfonia No. 6 d-Moll) aufspürt, die es den himmlischen Klängen eines Johann Sebastian Bach (Ricercare a 6 voci, aus "Musikalisches Opfer" BWV 1079) gegenüberstellt. Wobei solcher Schönklang geradezu sphärisch auch in den anderen Werken mitschwingt, wenn auch von bedrohlichen Höllen-Sounds überlagert.

Höhepunkt des spannenden Abends ist schließlich das Gastspiel des russischen Violinisten Ilya Gringolts, der den Herausforderungen Paganinis in seinem Violinkonzert samt seiner Drei-Oktav-Tonleitern und den geradezu akrobatischen Doppelgriffen mit solcher Virtuosität gewachsen ist, dass man ihn als würdigen Nachfolger des Hexenmeisters schätzt. Einer, der als Zugabe dann noch das fantastische Konzert mit einer Darbietung von Pietro Locatellis Caprice 23 ("Labyrinth") mal eben in den Schatten stellt. Diesmal ohne Unterstützung des Orchesters, das selbst gebannt den aberwitzigen Eskapaden des Meisters lauscht. So also klingt wahre Teufelei.

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