Kurzkritik:Herrlich trocken

Lesezeit: 1 min

James Gaffigan dirigiert die Münchner Philharmoniker

Von Rita Argauer, München

Es ist ein schöner Zug, dass ein Orchester ein Werk für einen seiner langjährigen Solisten komponieren lässt. Und dieser Respekt und die Anerkennung zeigt sich auch, beim lang anhaltenden Applaus, den in diesem Fall die Münchner Philharmoniker ihrem Solo-Trompeter Guido Segers spenden, nachdem sie Geoffrey Gordons "Chase" unter der Leitung von James Gaffigan uraufgeführt haben.

Das dreisätzige Werk für Solotrompete und Orchester ist dabei sperriger als es sich durch seinen Bezug zu den Skulpturen Giacomettis annehmen ließe. Die drei Sätze - benannt nach dem "schreitenden Mann", der "stehenden, nackten Frau" und der "Büste" - setzen auf Rhythmik und harsche Akzente. Die Streicher peitschen in fahler Tonlosigkeit, unterstützt von groß aufgestelltem Schlagwerk. Der Gesamtklang ist dominiert von den Bläsern, angeführt von Segers' Trompete. Der spielt diese zerklüftete Musik, die weit mehr an die Unebenheiten der Oberflächen von Giacomettis Figuren erinnert, als dass sie eine wirklich figurative inhaltliche Gestaltung hätte, mit hehrem Ernst und grandioser Technik. Die Ecksätze sind jeweils klirrend aggressiv mit einer D- und einer C-Trompete gespielt. Der Mittelsatz erklingt durch ein Flügelhorn zwar sanfter, ist aber näher an der Stimmung eines Horrorfilms als am Lyrischen.

Gaffigan dirigiert das alles herrlich trocken, ohne irgendetwas herauszustellen, dafür aber mit rhythmischer Präzision. Doch erst in Gustav Mahlers sechster Symphonie löst sich dieser Zugang, der bei Gordon teilweise noch ein wenig scheu und teilnahmslos wirkte, gänzlich ein. Auch weil die Philharmoniker eng zusammen spielen, kantabel und dennoch mit gestochener Überzeugungskraft auftreten, sorgt Gaffigans Herangehensweise bei Mahlers musikalischen Vereinzelungen, seinen hämischen Grotesken, dem Eskapismus und dem drohenden Unheil für Ordnung. Die emotionale Vermischung von Wehmut, Lyrik und Aggression gelingt durchdringend und umwerfend.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: