Kurzkritik:Herrlich bunt

Simon Pearce mit seinem neuen Programm im Lustspielhaus

Von Thomas becker

Vorne rechts stimmt etwas nicht. In der ersten Reihe des proppevollen Lustspielhauses sitzt ein mittelaltes Paar vor zwei Gläsern Spezi und schafft es, in zweieinhalb Stunden nicht einmal die Miene zu verziehen. Kein Schmunzeln geschweige denn Grinsen huscht ihnen übers Gesicht - während ringsum nur so gegrölt, gestrahlt, gegluckst und geprustet wird vor Lachen. Auf der Bühne steht nämlich Simon Pearce, und es gibt wohl nicht allzu viele Menschen, die sich dort noch wohler fühlen als er.

Was er im neuen Programm "Pea(r)ce on earth" so macht? Nun, erst mal seine 75-jährige Mama, die auch noch im Publikum sitzt, aufs Übelste beleidigen, dann über seine hässlichen Füße und die auch im Ansatz kaum auszumachende Glatze jammern und sich schließlich wie Gernot Hassknecht aufführen, weil vor ihm auf der Rolltreppe mal jemand das elfte Gebot missachtet hat: rechts stehen, links gehen.

Das soll lustig sein? Ist es, und wie! Genauso komisch wie seine Geschichten vom Zugfahren, der Flugangst, den Deutschen im Urlaub oder dem ersten Mal beim Urologen. Themen, die die Welt nicht braucht, die andere vor ihm schon tausendfach beackert haben - und doch schmeißt man sich weg, wenn er das auf der Bühne spielt. Pearce ist nicht nur der geborene Geschichtenerzähler, ausgestattet mit einnehmendem Wesen, gewinnendem Lächeln, Gespür für Timing sowie der Gabe der Selbstironie. Er ist auch ein begnadeter Ganzkörperspieler. Wie wichtig die ständige Hibbelei auf der Bühne für ihn ist, merkt man bei der Zugabe, als er im Sitzen aus seinem neuen Buch vorliest - da fehlt direkt was.

Ein herrlich bunter Abend, bei dem die Anekdoten geschmeidig in ruhigere, nachdenkliche Passagen münden. Pearce, im Bob-Marley-One-Love-Shirt, fragt, wo all die Wut und Aggressivität herkommt, nicht nur bei Terroristen und AfD-Wählern, auch bei sich selbst. Er weiß: Der innere Frieden kommt vor dem Weltfrieden, und diese Ruhe müsse man sich von innen holen, einfach bei sich bleiben. So gesehen ist das Spezi-Paar vielleicht ja längst auf dem richtigen Weg.

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