Kurzkritik:Geglückt

"Tasso" im Pathos - ein Triumph für die Freiheit der freien Szene

Von Egbert Tholl

Wie Belriguardo schaut das Pathos-Atelier nicht unbedingt aus, auch wenn ein lustig-harscher Sicherheitsmensch vor Beginn der Aufführung erklärt, man dürfe die Kieswege nicht verlassen und solle die Finger von den Ölgemälden lassen. Beides gibt es hier nicht, für Belriguardo indes könnte man es sich imaginieren, ist es doch das Lustschloss, auf welchem der Dichter Tasso seinem Gönner, dem Herzog Alfons, sein Epos vom befreiten Jerusalem überreicht. Goethe erzählt in seinem erlesenen Drama "Torquato Tasso" viel von der - auch erotisch interessanten - Aura des Künstlers, erzählt von der Kollision von Diplomatie und Kunst und auch von der Abhängigkeit des Dichters, der ohne seine Gönner zwar dichten, aber kaum leben könnte.

Heute ist dieser Herzog eine McDonalds-Werbung. Barbara Balsei (Video) und die drei Tassos Martin Clausen, Peter Trabner und Jörg Witte entwarfen zusammen "Tasso", einen Abend über das Schauspieler-, also Künstlerdasein, und zwar über das Dasein der drei Herren selbst, allesamt physiognomisch wertvolle Körperausdruckswesen. Brillant ist die Aufführung immer dann, wenn mit stupender Selbstverständlichkeit Motive aus Goethes Drama ihre Entsprechung in der Gegenwart finden, wenn etwa die Frauen der Drei im Video berichten, dass sie auch nicht genau wissen, wie das gehen soll, freie Schauspielerei und Familie. Aber es geht nicht allein ums Geld, für dieses dreht man eben eine Werbung; es geht auch ums Selbstverständnis, Künstler zu sein. Am Ende gibt es Goethe im Schnelldurchlauf, und man freut sich über diesen klugen Abend, der auch die Freiheit der freien Szene feiert in all ihren Widersprüchen.

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