Kurzkritik:Gar nicht naiv

Die texanische Sängerin Hailey Tuck in der Unterfahrt

Von Oliver Hochkeppel

Es kommt nicht häufig vor, dass ein Abend in der Unterfahrt wegen der Ansagen genauso lohnend ist wie wegen der Musik. Fast schon Stand-up-Comedy lieferte die Sängerin Hailey Tuck bei ihrem ersten Auftritt in München ab - ungewöhnlich genug ist ihre gesamte Erscheinung. Die 27-Jährige aus Austin, Texas, sieht aus wie einer Zwanzigerjahre-Zeitschrift entsprungen: Pagenfrisur, reinweiße Haut, Charleston-Kleidchen. Dieser Epoche gehört ihre Liebe, allerdings geht es bei ihr nicht nur zurück in die Zeit, sie holt die Vergangenheit herüber in die Gegenwart. In ihr musikalisches Programm finden bluesige Südstaaten-Nummern ebenso Eingang wie Standards wie etwa "My Funny Valentine", das ihre britische Tour-Band interessant neu rhythmisiert, Country-Songs, Pop-Adaptionen aus allen Ecken von Joni Mitchell über The Kinks bis zu Pulp und Selbstkomponiertes.

Die verbindenden Elemente sind Tucks verwirrend natürlicher, in die Zeit vor jedem Scatten zurückführender Gesang, sowie ihre Neigung zu abgründigen und morbiden Texten und Themen. Denn so naiv, wie sie wirkt, so zielstrebig ist sie auch. Das wird klar, wenn sie mit bemerkenswerter Offenheit und Selbstironie erzählt, wie sie mit 18 nach Paris ging, sich jahrelang mehr schlecht als recht durchschlug, sich dann den Starproduzenten Larry Klein ausguckte und ihn schließlich auch überzeugen konnte. Jetzt hat sie es also zu Sony und in die Clubs geschafft. Weil sie ein unverwechselbarer Typ ist und auch musikalisch etwas Besonderes macht, muss das noch nicht alles sein.

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