Kurzkritik:Ganz Brahms

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Die Philharmoniker unter Andrew Manze

Von Klaus Kalchschmid, München

24 Jahre alt war Johannes Brahms, als er - noch voller Angst vor dem Übervater Beethoven - keine erste Symphonie, sondern seine Serenade Nr. 1 D-Dur op. 11 komponierte, ein nur der Form nach anachronistisches Jugendwerk, das aber schon unverkennbar Brahms'sche Züge trägt. Selten im Konzert gespielt, bildete das dreiviertelstündige Werk jetzt den ersten Teil eines reinen Brahms-Konzerts mit den Philharmonikern unter Andrew Manze im Gasteig. Leider fehlte etwas die Frische und das Lebendige, die Durchsichtigkeit und das Tänzerische bei diesen sechs Sätzen, die dann, wie das problematische "Adagio non troppo", langatmig sämig dahinfließen. Erst im letzten Viertel mit den beiden Menuetten, einem zweiten Scherzo und dem Rondo-Finale änderte sich das ein wenig.

Ganz anders der Eindruck nach der Pause mit den drei großen, ebenso reifen wie vielschichtigen Vertonungen für Chor und Orchester nach Texten von Schiller, Goethe und Hölderlin, in denen mit den Göttern gehadert wird und die Menschen in ihrer Ohnmacht betrauert werden. Ob antiker Klagegesang ("Nänie"), "Gesang der Parzen" aus der "Iphigenie auf Tauris" oder "Schicksalslied" aus "Hyperion" - Johannes Brahms verleiht den Worten mit herrlichen Melodien (etwa zu "Aber sie steigt aus dem Meer mit allen Töchtern des Nereus") oder in dramatischem Impetus Nachdruck, lässt sie a cappella fast flüstern ("Doch uns ist gegeben, auf keiner Stätte zu ruhn") oder setzt - wie im "Schicksalslied" - die Pauken als raunende Warner ein, als wär's das "Deutsche Requiem". Wie überhaupt das Ganze wie eine imaginäre Totenmesse mit lichten Momenten wirkte.

Der Philharmonische Chor (Einstudierung: Andreas Herrmann) sang bezwingend schön und ausdrucksvoll, die Philharmoniker gestalteten empfindsam und emphatisch mit - feine Holzbläsersoli eingeschlossen.

© SZ vom 08.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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