Kurzkritik:Funky altern

Hip-Hop-Geschichte: DJ Premier in der Muffathalle

Von Jonathan Fischer

Dass hier Geschichte verhandelt wird, das zeigte schon ein Blick ins Publikum. Ausgewaschene Gang-Starr-T-Shirts und Fusselbärte, immerhin ist man mit dem 49-jährigen Christopher Martin aka DJ Premier gealtert. Nur die Qualitäts-Standards sind es nicht: "Es geht mir darum, die Musik in alle Richtungen offenzuhalten", hatte Premier vorab erklärt, "das Beste zu konservieren, damit die DJs ihre Wurzeln nicht vergessen". So galten die "Premo, Premo"-Rufe in der gut gefüllten Muffathalle nicht nur dem legendären Hip-Hop-Produzenten und Beatlieferanten von Jay-Z bis Kanye West. Sondern auch dessen elitärem Musikgeschmack. Premiers Ästhetizismus, der das Genre nicht zu Unrecht in die Nähe des Jazz und seiner erklärten Vorbilder Miles Davis und Thelonious Monk rückt. Nein, Autotune und digitale Mixprogramme würden hier nichts zu suchen haben. Stattdessen füllte eine jazzgeschulte Liveband mit Drummer, Bassist, Trompeter und Posaunist die Bühne, während Premo von seinem DJ-Pult in der Ecke die Beats und Scratches vorgab.

Beziehungsweise eine Geschichtsstunde des Hip-Hop zelebrierte. Das graue Cap tief in die Stirn gezogen, die massiven Arme in ständiger Bewegung zwischen Laptop, Mixer und den zwei Plattenspielern, spielte der DJ immer wieder neue Varianten seines Markensounds aus 25 Jahren: knarztrockene, federnde Beats und punktgenaue Vocal-Scratches. Klassiker wie Nas' "Represent", Notorious B.I.G.s "Ten Crack Commandments" - oder auch die genialen Beats seiner einstigen Hip-Hop-Band Gang Starr-Tracks mit Rapper Guru ("Rest in peace!") erinnerten an die "golden era" des Hip-Hop. "How many real hip-hop heads are in the house?" Wie ein heiserer Baptisten-Prediger peitscht Premier die Gemeinde auf - während seine Band die Energie doppelt. Viel hinzuzufügen hatte sie seinem Werk allerdings nicht: hier ein verstärkter Beat, dort ein zusätzliches Bläser-Riff oder ein Trompetensolo. Am Ende aber beweist Premiers umjubelte Show vor allem: Hip-Hop kann in Würde altern. Und dabei auch noch verdammt funky bleiben.

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