Kurzkritik:Fragile Feinheit

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Maria João und ihr Trio im Bayerischen Hof

Von Ralf Dombrowski, München

"Ich habe viele Erinnerungen an diesen Ort", meint Maria João und lässt den Blick durch den Night Club des Bayerischen Hofs schweifen. "Eine hängt mit Joe Zawinul zusammen. Damals passten wir mit all unserem Equipment kaum auf die Bühne. Joe war so offen, so neugierig auf alles, was anders klingt. Er war damit letztlich der Auslöser für die Musik, mit der wir jetzt unterwegs sind". Und dann erzählt Maria João weiter, dass sie keine Ahnung von Electronics habe, deren Effekte aber fantastisch finde, besonders wenn sie so raffiniert eingesetzt würden wie von ihren beiden Partnern des Ogre Trios, dem Keyboarder João Farina und dem Sounddesigner André Nascimento.

Kaum sind die Worte verklungen, zwitschern Vögel aus den Boxen, Sprachfetzen und Geräusche irrlichtern durch den Raum, dezente Beats geben Richtungen vor. Maria João nimmt diese Impulse als Ausgangspunkte für ihre schweifenden Improvisationen auf, wobei ihre Erfahrungen mit Klangwelten an den Genregrenzen von afrikanischer Musik, südamerikanischen Rhythmen, Jazz, klassischer Balladenkunst und theatralischer Diktion helfen, Lieder und Passagen in musikalische Miniaturhörspiele zu verwandeln. Denn die portugiesische Sängerin setzt mit der Stimme fort, was die elektronischen Instrumente andeuten, macht wilde Sound-Eskapaden daraus, kokettiert mit Klangcharakteren von kieksenden Jungmädchenphrasen bis hin zu schamanenhaftem Bass oder nimmt alle Opulenz zurück, um in fragile gestalterische Feinheit zu münden.

Dabei folgt die erste Konzerthälfte im Night Club des Bayerischen Hofs einer thematisch freien Dramaturgie, während der zweite Teil des Abends auf Texte von William Shakespeare zurückgreift, einen Monolog von Julia etwa. So entsteht Musik mit großer Bildkraft und vielen überraschenden Sounddetails, die weit über Maria Joãos gewohnten Jazzkosmos hinausreicht. Joe sei Dank!

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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