Kurzkritik:Folter mit Chor

José Feliciano liegt in der Philharmonie nicht immer richtig

Von Dirk Wagner

Wofür der Ronald McDonald-Preis verliehen wird, werden die wenigsten Besucher der Philharmonie wissen. Dass der puertoricanische Gitarrist, Sänger und Komponist des Weihnachtshits "Feliz Navidad", José Feliciano, ihn erhalten hat, weiß es nun dank eines Films, der im Vorspann zum Konzert darauf vorbereitet, was für eine Wuchtbrumme gleich ins Haus fliegt. Deshalb sieht man den ersten Latin-Star der Popmusik auf Leinwand auch zusammen mit Johnny Cash, mit Frank Sinatra, mit Harry Belafonte und mit Carlos Santana. Letzterer betont, dass Feliciano allen Latin-Musikern die Tür geöffnet habe. Ja, sagt der Türöffner, jeder muss jemandem die Tür öffnen. Ihm habe schließlich auch wer die Tür geöffnet.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, die der Film dauert, und die verspätete Gäste übrigens vor der Tür warten müssen, weil man die Wirkung des Films nicht durch Unruhe im Zuschauerraum trüben mag, wird endlich die Tür zum Backstagebereich geöffnet und José Feliciano tritt ein. Weil er von Geburt an blind ist, begleitet ihn eine Sängerin vorbei an einem Weihnachtsbaum mit den darunter drapierten Päckchen zu seinem Sitz auf der Bühne. Dort startet er, von einer Band begleitet, gleich mit "California Dreaming" der Mamas and Papas.

Was dann folgt, ist ein konzertantes Wechselbad der Gefühle, das mal Popkonzert sein will und die Hits offeriert, mal Weihnachtskonzert, das auf den eigenen Weihnachtshit in der Zugabe vorbereitet. Das Giuseppe Verdis Gefangenenchor mithilfe des österreichischen Countertenors Arno Raunig zu einem unerträglich kitschigen Folterchor aufrüstet. Und das dann auch noch das dem 1618 gestorbenen Komponisten Guilio Caccini zugeschriebene "Ave Maria" unbarmherzig zerklimpert. Marienerscheinungen dürften nach dieser Anbetung der Vergangenheit angehören. All das verhindert allerdings nicht ein großartiges Ende des Konzerts mit "Light My Fire", "Che sará" und eben "Feliz Navidad". Hätte José Feliciano doch nur mit dem Ende begonnen!

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