Kurzkritik:20 Finger

Andreas Groethuysen und Yaara Tal im Herkulessaal

Von Rita Argauer

Beim ARD-Wettbewerb im Fach Klavier-Duo war zu beobachten, wie schwierig die Vereinbarung von Künstlerego und gemeinsamer Interpretation ist. Damit das gelingt, braucht es Anpassung. Also überzeugte beim Nachwuchs am meisten, wer einen ähnlichen Ausdruck finden konnte. Yaara Tal saß da in der Jury. Beim Konzert ihres eigenen Duos im Herkulessaal aber beweist sie, dass die Kunst des Duo-Spiels ungleich mehr zu schillern beginnt, wenn die Partner noch einen Schritt weiter gehen und in beidseitiger Unterstützung Individualität wagen.

Andreas Groethuysen und Yaara Tal spielen seit 30 Jahren zusammen. Und sie zeigen, wie viel Spannung in der gemeinsamen Interpretation auf dem gleichen Instrument liegt, wenn das Spiel auch unterschiedlich klingen darf. Sie beginnen mit acht Variationen Beethovens über ein Thema von Waldstein; vierhändig an einem Klavier. Es ist herrlich, welch weichen Bass Groethuysen erzeugt und wie sinnlich-keck Tal die Oberstimme darauf setzt. Da macht die Aufsplittung auf vier Hände Sinn - nicht nur, weil es voller wird, sondern weil mehr Ausdruckmöglichkeit zur gleichen Zeit vorhanden ist. Ein erstaunlicher Effekt: Das Spiel ist transparent und klar, aber gleichzeitig auch hoch theatral.

Erquickend wird so ein Konzert, wenn noch eine ungewöhnliche, aber feinsinnige Programmgestaltung hinzu kommt. So darf sich Beethoven von den verspielt-hüpfenden ersten Variationen zu breiter Eleganz in sechs Variationen ("Ich denke Dein") entwickeln und Max Reger darauf in Variationen über ein Thema des Ersteren bipolar und ausladend an zwei Klavieren in manischer Virtuosität antworten. Nach der Pause dann Debussy - dessen "La Mer" klang in der Version für zwei Klaviere selten so nachvollziehbar, denn Tal und Groethuysen kanalisieren den übersprudelnden Notentext und legen besonders im dritten Teil so bisher selten gehörte Akkord-Färbungen in die rasenden Noten. Als Zugabe gab man den dritten Satz aus Tschaikowskys sechster Symphonie. Dessen romantischen Drängen erscheint nach Debussy in herber Klarheit. Und Tal und Groethuysen haben über den Abend hinweg Musikgeschichte in ein hochspannendes Stück Musiktheater mit 20 Fingern verwandelt.

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