Kurzkritik:Feine Ironie

Ein Liederabend mit Anja Harteros

Von MICHAEL STALLKNECHT

Franz Schubert, Robert Schumann, Alban Berg und Richard Strauss hatte Anja Harteros auf das Programm ihres Liederabends im Nationaltheater gesetzt - und sich dabei dennoch nicht nur wie manche Opernsänger auf die bekannteren Stücke verlassen. Dass die aktuell führende Diva der Staatsoper seit Jahren auch mit dem Genre des Lieds eng vertraut ist, war auch im genauen Zusammenspiel mit dem Pianisten Wolfram Rieger zu spüren, das die Lieder bis in die einzelne Zeile hinein ausdifferenzierte.

Ein pauschales Al-fresco ist Harteros' Sache schon in der Oper nicht, das Lied nutzt sie erst recht, um den Pianobereich auszuloten, die Artikulation durchzugestalten. Die Sieben frühen Lieder Alban Bergs klingen bei ihr weniger nach rauschhaftem Fin de Siècle als fast schon nach dem ironischen Ton Kurt Weills. Bei Strauss wäre zum Abschluss des Abends vielleicht doch ein wenig mehr an romantischer Emphase möglich gewesen, vor allem auch im Klavier. Angesichts der präzisen Fokussierung von Harteros' Sopran muss ein Pianist schließlich keine Sorge haben, die Stimme zuzudecken, weshalb Rieger hier mehr, auch kräftigere Farben zulassen könnte.

Gerade Schubert und Schumann im ersten Teil aber kam die Feinzeichnung zugute. Denn Harteros' genaue Wortarbeit (die nie auf Kosten der Stimmführung geht, sondern mit ihr in einer idealen Balance steht) beinhaltet einen Beobachterposten, der die vorschnelle Vertraulichkeit ausschließt. Die frühe Romantik ist hier nicht naiv, sondern im Schillerschen Sinn sentimentalisch, reflektiert also die Gebrochenheit des vermeintlich Natürlichen mit. Das schließt Ironie ein, wenn Harteros beispielsweise in Schuberts bekannter "Forelle" im scheinnaiven Geschehen vom gelungenen Fischfang die erotischen Untertöne hörbar macht. Letztere prägen mit feiner Laszivität auch Schumanns "Hidalgo", in dem man denn doch die Bühnendarstellerin durchspürte. Man sah sie geradezu vor dem inneren Auge spazieren, "die Schönen von Sevilla, mit Fächern von Mantilla".

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