Kurzkritik:Entfesselt

Kevin John Edusei und die Sinfoniker mit Bruckner

Von Klaus P. Richter

Natürlich war das gewaltige Forte in Bruckners vierter Sinfonie für das Prinzregententheater eigentlich zu laut. Aber es kam in den tobenden Finalen von Scherzo und Schlusssatz einem grandiosen Überwältigungsgestus zugute. Denn was die Münchner Sinfoniker hier, allen voran ihre Blechbläser, entfesselten, war eine Hochleistung, die man bei diesem nicht risikolosen Weitsprung in die große Bruckner-Sinfonik kaum erwartet hatte. Schuld daran war ihr charismatischer, nicht weniger risikofreudige Maestro Kevin John Edusei. Ebenso ambitioniert wie engagiert dirigierte der elegante Energetiker keine wirklich "Romantische", wie ihr Titel meint, sondern einen atemberaubenden Parcours durch die Brucknerschen Klanggebirge von den glimmenden Tiefen bis zu den gleißenden Gipfeln.

Edusei bleibt zwar den Pianissimo-Idyllen, die so gerne mit Waldzauber und Naturfrieden assoziiert werden, der fahlen c-Moll Celli-Trauer im Andante und auch dem Spiel der irisierenden Horn- und Flöteninterferenzen nichts schuldig, aber er strukturiert mit präzisem Schlag vor allem die verschiedenen Energieebenen des sinfonischen Kolosses. Dabei legt er es besonders auf die Maxima an: die oft fast zu steilen Steigerungsschübe in die Bläserfanfaren, die monumentalen Choräle und die strahlenden Es-Dur- und C-Dur-Lichteinbrüche mit ihrem triumphalen Fortissimo-Pathosglanz. Und gestaltet damit einen intensiven, beeindruckenden Bruckner.

Zuvor noch stellte sich der 21-jährige Geiger Chad Hoopes aus Florida als momentaner "Artist in Residence" des Orchesters vor. Zwar unbeschwerter Yankee und "Youngster" in dieser Rolle, traf er Mozarts luzide Leichtigkeit im ersten Satz des A-Dur-Violinkonzert KV 219 allerdings nicht. Etwas zu sehr bemüht, wirkte sein Spiel eher unfrei und vordergründig. Bis zum Adagio aber hatte er sich eingespielt. Dort gelang ihm dann viel klangschöne Besinnlichkeit und im Alla-turca des Schlussrondos schließlich auch lockere Unbekümmertheit.

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