Kurzkritik:Einstürzende Bauklötze

Zirzensisches zum Nulltarif beim Tollwood-Festival

Von Petra Hallmayer

Die Stuhlreihen auf dem schattenlosen Schauplatz sind bei der spätnachmittäglichen Premiere nur locker gefüllt. Vielleicht liegt das ja an der Gluthitze. Während uns die Sonne auf den Rücken brennt, müssen die Künstler ins gleißende Licht blicken, doch nie lassen sie sich davon irritieren. Mit fantastischer Präzision und Körperbeherrschung wirbeln die Artisten und Tänzer durch eine fabelhafte Show, die um das Lebensgefühl in der Großstadt kreist. Zwanzig große steingraue Blöcke dienen ihnen dabei als Kulisse und Turngeräte. Rücklings schlüpfen die Performer zwischen diesen hervor, klettern abwärts und kriechen eine Brücke schlagend wie skurrile Insekten über den Boden.

"Block" heißt die Mischung aus Tanztheater und zirzensischen Elementen, mit denen der in Wales beheimatete NoFit State Circus und die Compagnie Motionhouse gerade bei Tollwood gastieren (Eintritt frei). Akrobatische Kunststücke fließen darin in Alltagsbewegungen und temporeiche Gruppenchoreografien ein. Mit berückender Leichtigkeit macht eine Frau auf den emporgereckten Händen eines Mannes einen Handstand, lässt sich in die Luft werfen und nach einer grazilen Drehung von ihm auffangen. Immer wieder flammt inmitten von beschwingten artistischen Passagen und spielerischen Balanceakten Aggression auf. Männer umschleichen sich misstrauisch, rempeln sich machohaft an und verstricken sich in kleine Reviergefechte. Sie bedrängen die Frauen, die die Kerle heftig von sich stoßen.

Brutale Anmache trifft auf zornige Abwehr, innige Umarmungen münden in Kampfgesten. Im Wechsel zwischen wildem Gewimmel, in dem Menschen aufeinanderprallen und voreinander fliehen, und Momenten der Ruhe, Hektik und erschöpftem Innehalten zeichnen sich Skizzen von Beziehungsdramen ab. Ein Paar streitet und trennt sich, er versucht beharrlich, sich ihr erneut anzunähern, doch sie weist ihn grimmig ab und sucht Trost in den Armen einer Freundin. Im Finale der 40-minütigen Performance türmen die Akteure die Blöcke wie Kinder, die mit Bauklötzen spielen, zu einem immer höher wachsenden Haus auf. Menschen lugen aus dessen Fensterlöchern hervor, hangeln sich um die Fassade, während drunten ein aufgeregtes Gestikulieren und Krakeelen anhebt, bis das so sorgsam errichtete Bauwerk einstürzt.

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