Kurzkritik:Ein Ereignis

Yannick Nézet-Séguin und Jan Lisiecki in der Philharmonie

Von Klaus P. Richter, München

Zwei Entdeckungen gab es in der Philharmonie zu machen: ein junger Pianist der Starklasse und ein genialer Dirigent der gleichen Liga. Dazu als Überraschung Leonard Bernsteins Musik zum Film "Die Faust im Nacken", die der kanadische Maestro Yannick Nézet-Séguin als Entree servierte: ein Bläser-Blues mit Kanons, schräger Jazz-Harmonik und Drangsal-Melos aus den New Yorker Docks. Aber dann kam der zweite Kanadier aufs Podium: Jan Lisiecki mit Chopins e-Moll Klavierkonzert. Obwohl man mit Chopin immer richtig liegt, reicht "richtig" natürlich nicht. Der 21 Jahre alte Pianist mit polnischen Wurzeln machte auch schnell klar, wie man bloßes "richtig" des viel gespielten Opus zum Ereignis verwandelt. Dominierte zu Beginn im Allegro noch viel romantische Eleganz, so steigerte er sich in den Figurationsslaloms der Coda und zuletzt in den Variationen des Finales zum ekstatischen Brio. Lisiecki kann sich dabei auf seine überragende Technik verlassen, zeichnet aber auch bannende Reliefs musikalischer Struktur, zaubert herbe Farbwechsel zwischen e-Moll und E-Dur und verleiht so Chopins Melomania existenzielle Größe. Überwältigend gelang dann auch die Nocturne-Zugabe mit den Kontrasten zwischen Traum und Raserei im Mittelteil.

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