Manche Dinge brauchen einfach ihre Zeit, oder auch ihren ganz bestimmten Ort. Der Song "Don't Talk to Her at Night" etwa. Den hat Marc Cohn, wie er bei seinem Konzert im gut gefüllten Carl-Orff-Saal des Gasteigs erzählt, 1991 auf Tournee geschrieben. Das heißt: Er hat den Song in einem Hotelzimmer in Los Angeles angefangen, hat ihn dann aber irgendwie nicht fertig gekriegt. Bis er ein Jahr später wieder auf Tournee war, wieder im selben Hotel. Und da hat es dann angeblich keine 20 Minuten gedauert, und "Don't Talk to Her at Night" war fertig. Auch bis zur aktuellen Deutschland-Tournee des amerikanischen Singer-Songwriters hat es seine Zeit gebraucht. Ganze 18 Jahre war Marc Cohn nicht mehr hier. Wieso? Weil er vier Kinder hat. Jetzt ist der älteste Sohn aus dem Haus, und damit auch wieder Zeit für größere Tourneen? Er komme nächstes Jahr wieder, verspricht er jedenfalls dem Publikum.
Die aktuelle Tour des 56-Jährigen hat aber noch einen anderen Grund. Nämlich den 25. Jahrestag seines Debütalbums, von dem er am Flügel und teilweise an der Gitarre tatsächlich fast sämtliche Lieder vorträgt. Einschließlich seines großen Hits "Walking in Memphis", den er angeblich auch heute noch gerne live spielt. Da er das mit viel Charme macht und mit großer Spielfreude, glaubt man ihm das gerne.
Überhaupt erweist sich Marc Cohn als sympathischer Entertainer und Erzähler, während er die musikalischen Raffinessen eher seinem Begleiter Glenn Patcha am Keyboard überlässt. Patcha, der auch schon mit Levon Helm oder Marianne Faithfull auf der Bühne stand, gibt den Songs ein leichtes Soul- oder Blues-Feeling, was gut zu Cohns inzwischen etwas rauerer Stimme passt. Zu meckern gibt es an dem geradezu klassischen Songwriter-Abend am Ende wenig, allenfalls dass ihm der Blick nach vorne fehlt, soll heißen: ein paar neue Lieder. Aber vielleicht warten auch in deutschen Hotels noch ein paar unfertige Songs darauf, dass Cohn sie endlich vollendet.