Kurzkritik:Eile ohne Weile

Stuttgarter Kammerorchester überzeugt nicht vollends im Herkulessaal

Von Michael Stallknecht

Schütter blieb am Ende der Beifall für die "Metamorphosen" von Richard Strauss, verblüfft und leicht säuerlich blickten die Musiker des Stuttgarter Kammerorchesters in den Herkulessaal. Doch tatsächlich war der Dirigent Bernhard Epstein den komplexen Satz für 23 Solostreicher viel zu rasch und unkonturiert angegangen, hatte damit Wackler und unsaubere Übergänge befördert. Da wäre es vielleicht eher den Versuch wert gewesen, auch dieses Stück ohne Dirigenten - also nur unter Leitung der Konzertmeisterin - zu erproben wie vorab in der ersten Hälfte des Abends die beiden Violinkonzerte von Johann Sebastian Bach.

Denn das Stuttgarter Kammerorchester, legendär einst unter Karl Münchinger in der Nachkriegszeit, später weiter erfolgreich unter Dennis Russell Davies und Michael Hofstetter, pflegt bis heute einen tollen Klang, wie man hören durfte: dunkel grundiert in den Tiefen, licht in den Höhen, transparent durchaus, aber dabei doch warm und wohlgerundet. Das Choralvorspiel "Oh Gott, Du frommer Gott" von Johannes Brahms in einer Streichorchesterbearbeitung war jedenfalls ein vielsprechender Einstieg.

Dem leider aber mit den beiden Bachschen Violinkonzerten nur eine mäßig interessante Aufführung folgte, was wiederum wohl eher an der Solistin Lena Neudauer lag. Die Geigerin war eingesprungen für die erkrankte Caroline Goulding, und vielleicht hatte ihr einfach die Zeit gefehlt, sich die sehr bekannten Stücke noch mal anzusehen. Jedenfalls eilte sie eher routiniert durch das a-Moll-Konzert. Dabei ließ auch sie an Tonschönheit eigentlich nichts zu wünschen übrig: Süffig und farbenreich schillernd klang ihre Guadagnini aus dem Jahr 1743, schmeichelnd und doch bei Bedarf kraftvoll, dabei versetzt mit einem Schuss fast bratschenhafter Dunkelheit. Aber erst im zweiten und dritten Satz des E-Dur-Konzertes wurde so etwas wie ein eigener Zugriff hörbar, ging Neudauer auf Details ein, spielte Ornamente aus. Der Gesamteindruck blieb dennoch kühl, auch wenn sie zur Zugabe mit Eugène Ysaÿes zweiter Solosonate noch einmal ihre souveräne Technik unter Beweis stellte. Dass das gesamte Konzert inklusive Pause nur eineinhalb Stunden dauerte, dürfte jedenfalls mancher Hörer kaum übel genommen haben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: