Kurzkritik:Dunkle Lust

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Ein Liederabend mit René Pape im Prinzregententheater

Von Rita Argauer, München

Bei diesem Programm, das René Pape zu seinem Liederabend bei den Opernfestspielen im Prinzregententheater präsentiert, stellt sich die Frage, ob diese morbide Düsternis gesund ist. Dabei beginnt es noch ganz harmlos mit Beethovens "Sechs Liedern von Gellert", op. 48, die als Miniatur-Gebete einen sehr tröstlichen Duktus haben, den aber Pape gerne ins Beklemmende kippen lässt, vor allem im "Bußlied". Wie sich Pape hier zum ersten Mal ein wenig Schauspiel erlaubt, das Wort "jammern" zitternd tatsächlich jammern lässt, oder unscheinbar in einen Sprechduktus verfällt, das ist besonders.

René Pape kann das generell mit dem Erzählen im Singen sehr gut, denn er versteht es, seinen Bassbariton mit feinsten Nuancen auszustatten, ohne je affektiert zu wirken. Es folgen die "Biblischen Lieder" von Dvořák, deren Text er ebenso fein spielt - auch weil ihm dabei Camillo Radicke am Klavier viel Raum gibt. Pape lässt seine tiefe Stimme schweben in "Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen", während er mit der Fröhlichkeit des letzten Stücks die schunkelnd-derbe Nähe zum Trinklied auslotet.

Auch das gehört immer wieder zur Interpretation Papes, da schwebt eine zweite Ebene, ja, etwas Verschmitztes mit, das zwischen grausamem Spaß und Verbrüderung changiert. Bei Roger Quilters Shakespeare-Liedern, die seiner Stimme an Höhe einiges abverlangen, ist das eher kumpelhaft. Bei Mussorgskis "Liedern und Tänzen des Todes" jedoch gähnt ein Abgrund. Das Wiegenlied ums sterbende Kind ist bei ihm heimelig, bitter, brennend und zynisch, der Trepak ist tanzend und draufgängerisch, der "Feldherr" schließlich mächtig, spaltet einem das Innere und ist gleichwohl großartig. Dieser Lust am Dunklen muss man freiwillig folgen. Das begeisterte Publikum wollte das an diesem Abend unbedingt. Und dann weiß Pape diese Lust auch formidabel zu bedienen.

© SZ vom 30.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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