Kurzkritik:Düsterstes Moll

András Schiff spielt Bartók, Janáček und Bach

Von Klaus P. Richter

Johann Sebastian Bach hat das höchste Prestige der Musikgeschichte, denn alle feiern ihn, von Beethoven bis Reger, der einmal enthusiastisch bilanzierte: "Anfang und Ende aller Musik." Was aber hat Bach mit Béla Bartók zu tun? András Schiff, der weltläufige Ungar, inzwischen als englischer "Sir", erprobte es in einer gewagten Programm-Idee im Prinzregententheater. Er verband die beiden im unvermittelten attacca: Bartóks sechs Tänze "in bulgarischem Rhythmus" aus seinem "Mikrokosmos" Heft sechs und die Klaviersonate Sz 80 mit den vier Duetten aus Bachs "Clavier Übung III. Theil" dazwischen.

In diesem komplexen Sammelwerk aller Typen von Orgelchoralbearbeitungen mit Präludium und Fuge Es-Dur als monumentalem Portal sind sie bis heute ein ungelöstes Rätsel der Bach-Forschung. Vergrübelte Inventionen, deren Abstraktheit von András Schiff mit pianistischem Feuer so hoch aufgeladen wurde, dass sie mit dem entfesselten rhythmischen Berserkertum Bartóks mithalten wollten - vielleicht sogar in Aspekten fremdartiger, struktureller Abstraktion. Denn Bartók bewegt sich, wie Schiff vorher schön erklärte, nicht nur in eigenwilligen Rhythmusmustern, sondern auch in den Tonräumen der alten, kirchtonalen Modi und gewinnt daraus viel seines exotischen, "transsilvanischen" Klang-Ambientes.

Aber während er Johann Sebastian Bach ohne jede Berührung des Pedals spielte, gab er ihm in der Sonate viel Raum als Mittel hoch gespannter Expression und Perkussion. Nach dem Experiment und der Pause dann ein Klavierhochamt vom Feinsten: Leoš Janáček mit der Sonate "Im Nebel", in der Schiff bewegend alle Valeurs düstersten Molls und einer nervösen Presto-Unruhe auslotete und Schumanns "Davidsbündlertänze". Hier zeichnete er im bunten Reigen der literarisch inspirierten Phantasiestücke Poesie, Ironie, Charaktere und Akteure mit bravourösem, romantischen Klavierüberschwang. Beifallsstürme und große Zugaben von Schumann und - Bach.

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