Kurzkritik:Die Hormone

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"Romeo and Juliet" tanzen zwischen Klassik und Hip-Hop

Von JÜRGEN MOISES, München

Wie man klassisches Ballett mithilfe von Hip-Hop, Akrobatik, Kampfsport und moderner Popmusik ins 21. Jahrhundert holt, das haben die "Bad Boys of Dance" 2008 mit "Rock the Ballet" gezeigt. Die von dem Amerikaner Rasta Thomas erfundene Tanz-Show war so erfolgreich, dass sie noch immer durch die Welt tourt. Die von Thomas' Ehefrau Adrienne Canterna choreografierte Nachfolge-Produktion "Romeo and Juliet" ist aktuell im Prinzregententheater zu sehen. Wie man nicht nur das Ballett, sondern auch Shakespeare ins 21. Jahrhundert katapultiert und das in "Rock the Ballet" erarbeitete Vokabular in eine stringente Geschichte überführt, das soll "Romeo and Juliet" unter anderem zeigen. Ein Unterfangen, das aber nur teilweise gelingt.

Romeo und Julia, für Canterna ist das in erster Linie eine Geschichte über Teenager; über Liebeslust und -frust, Hormon- und Gefühlswallungen, die ins Extreme führen. Deswegen hat sie bis auf Pater Lorenzo und die Amme alle Erwachsenenrollen gestrichen. Eine Sicht, die einleuchtet, aber dem Stück auch viel von seiner Dramatik nimmt. Denn warum die Liebe in den Tod führt, darauf bleiben als Antwort dann fast nur noch die Hormone. Deswegen sind die süße Julia (Jordan Lombardi) und der adrette Romeo (Preston Swovelin) so verliebt, deswegen ist Ryan Redmond als Tybalt mit Punkfrisur so böse, und deswegen gockelt der als Julias Ehemann vorgesehene Paris (Eric Lehn) so herum.

Begleitet von kitschigen Videobildern, einer raffinierten Lichtregie und einem wilden Mix aus Prokofjew, Vivaldi, Lady Gaga, The Police oder Run-DMC, ergibt das immer wieder schöne Szenen: mit poetischen Pas-de-deux, versierter Akrobatik, sanfter Ironie aber auch übertriebenem Klamauk. Eine wirklich stringente oder gar neue Deutung des berühmten Stoffs aber gelingt dadurch nicht. Sondern eher und darin "Rock the Ballet" vergleichbar: eine flotte Nummernrevue mit einigem Unterhaltungswert, der vom Publikum auch lautstark honoriert wird.

© SZ vom 06.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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