Kurzkritik:Der Meta-Rocker

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Wayne Krantz im Nightclub des Bayerischen Hofs

Von Ralf Dombrowski, München

Manchmal lassen sich Musiker von der Autorität eines Edel-Hotels verunsichern, selbst wenn sie Wayne Krantz heißen und unter Connaisseuren als Maßstab des Gitarrenspiels gehandelt werden. "Wir haben noch ein kurzes Stück und sind gleich für eine zweite Show zurück, wenn Sie das weiter aushalten", meinte der Meister aus Oregon schüchtern, nachdem er zusammen mit dem Bassisten Tim Lefebvre und dem Schlagzeuger Nate Wood eine Stunde erstaunliche Saitenartistik geboten hatte, die für die meisten Hörer jenseits des gedanklich Nachvollziehbaren rangierte.

Das war schon amtlich, aber auf der anderen Seite auch vorsichtig eingebremst, schließlich musste Krantz erst erkunden, ob die Leute im Night Club des Bayerischen Hofs tatsächlich seinetwegen und nicht wegen der Cocktailkarte gekommen waren. Zuspruch in der Pause, vor allem aber ein begeistertes, ausdauerndes Publikum sorgte dann dafür, dass er in der zweiten Hälfte seines Konzerts gelöster spielte. Was anfangs noch konstruiert wirkte - vielfach polyrhythmisch aufgefächerte Beats, rhapsodische, zerschredderte Motive, irrlichternde Fender-Sounds - wirkte nun organischer, obwohl die Stücke an sich noch offener konzipiert oder teilweise ganz improvisiert waren.

Krantz wurde zu einer Art Meta-Rocker, der mit den Mitteln bewährter Stil- und Klangelemente vom verzerrten Soundbrett über frei fließenden Fusion-Funk bis hin zu sublimiertem Postbop eine andere Ebene intellektueller Verschränkung ansteuerte, die die Verbindung von treibendem Puls und hochgradiger, impulsiver Komplexität ermöglicht. Im Vergleich zu anderen Jazzrock-Trios war das auch nur möglich, weil dem Gitarristen zwei Partner zu Seite standen, die diese Art akkumulierender musikalischer Dichte verinnerlicht hatten. Was genau Tim Lefebvre spielte, schien ebenso rätselhaft groovend, passte aber perfekt zu den Gitarrenwelten und den harten, dabei profund strukturierenden Rhythmen von Nate Wood. Dieses Trio ist ein Labor, eine wilde Mischung aus Abstraktion und Präsenz, die eigentlich bei derart komplexen Vorgaben nicht möglich sein dürfte.

© SZ vom 27.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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