Der Wahl-Wiener Johannes Brahms hat sich auch im charmanten Ambiente noch allerhand nordländische Schroffheiten in seinem zweiten Klavierkonzert bewahrt. Zwar gilt das B-Dur-Konzert als viel weniger tragisch als das in d-Moll, und auch die Horn-Devise des Beginns suggeriert Romantik. Aber schon die erste Klavierkaskade und dann die mächtig sich entwickelnde Themenexposition im Orchester kündigen kolossales Format und kommendes Ungestüm an.
Rudolf Buchbinder, in diesem Jahr Resident beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, stieg herzhaft ein, aber schien doch etwas nervöser zu sein als gewohnt. Das stabilisierte sich zwar zum Schluss des ersten Satzes trotz der heftigen pianistischen Herausforderungen, erreichte glänzende Expressivität im Allegro appassionato, schwelgte im "Dolce" des Andante, wo auch Violoncello-Kantilene und Klavier-Arabesken schön zu einander fanden, und erreichte im Finale gelösten Überschwang. Weil aber in diesem Werk alles Konzertante sinfonisch auftritt, ist die Verbindung mit dem Orchester entscheidend. Macht man die rhapsodischen Gezeiten der Brahmschen Diktion dialektisch gegen Inseln pianistischer Solistenkunst zum Charakteristikum, so lockert sich diese Kollaboration.
Vielleicht war das die Absicht des 28 Jahre alten israelischen Dirigenten Lahav Shani für sein Debüt bei den BR-Symphonikern. Womöglich aber waren Pult, Pianist und Orchester an ihrem ersten gemeinsamen Abend noch zu wenig vertraut miteinander, dann wäre das Rhapsodische eher ein Modus von Unausgeglichenheit. In den zehn Suiten aus Prokofjews Ballett "Romeo und Julia", zusammengestellt von Lahav Shani, zeigte der sich allerdings als brillanter Animateur großer Klangkulissen mit dem Orchester in Großbesetzung und verwandeltem Tonfall: berstende Forte-Gewalt gleich in der ersten Suite, kokett im "Tanz", mit Getöse in "Tybalts Tod" und andächtig am Grabe Julias.