Kurzkritik:Dank ans Volk

Die Fans von "Twenty One Pilots" sind tongenau und textsicher

Von DIRK WAGNER

Natürlich soll man Verpflichtungen nicht vernachlässigen. Doch als Josh Dun spontan seinen Job schmiss, nur um einen erkrankten Schlagzeuger im geplanten Konzert der Band Twenty One Pilots zu ersetzen, hatte er damals für alle deutlich seine Prioritäten gesetzt. Dass er an jenem Abend noch nicht einmal sein Können unter Beweis stellen konnte, weil das Konzert damals schon nach einem Song von der Polizei aufgelöst wurde, verhinderte ob Duns überzeugender, weil bedingungsloser Hingabe nicht, dass der Sänger und Multi-Instrumentalist Tyler Joseph bald nur noch mit Dun in der von einem Trio zum Duo konzentrierten Besetzung weiter spielte. Als Duo gelang ihnen spätestens letztes Jahr mit dem zweiten Album "Blurryface" der Durchbruch.

Spielten sie letztes Mal ihren Münchner Gig noch im Ampere, treten die Twenty One Pilots darum nunmehr in der ausverkauften Tonhalle auf. Links auf der Bühne thront Duns Schlagzeug, rechts Josephs Keyboard, an das er sich immer mal kurz setzt, wenn er nicht gerade Ukulele, Bass oder den Rhythmus ergänzende Percussion-Instrumente spielt. Zumeist aber springt und tänzelt der Sänger über die Bühne. Dabei hüpft er auch schon mal mit der sportlichen Lässigkeit eines Parcoursläufers über sein Tasteninstrument. Spätestens aber, als er sich auch noch von seinen Fans tragen lässt, muss dem Schlagzeuger aufgestoßen sein, dass er hinter seinem Instrument ja noch nicht einmal mit Tanzschritten imponieren könnte. Zum Teil weiß er das zwar zu kompensieren, indem er immer wieder aufs Schlagzeug springt. Dann spielt er zusätzlich auch mal die Trompete. Aber Stagediving und Crowdsurfing ist eine ganz andere Nähe zum Fan, muss er sich gedacht haben, und steigt plötzlich selbst mit einem auf einem Brett befestigtem Schlagzeug ins respektive aufs Publikum.

Solche schon an zirzensische Akrobatik grenzende Show wird musikalisch auch noch locker überboten von der Hit-Dichte dieser Band, deren Mischung aus vermeintlich unvereinbaren Stilen sie selbst "Schizophrenic Pop" nennt. Eindrucksvoll wird die Band dabei vom besten Chor unterstützt, der je in der Tonhalle zu hören war: dem Publikum, das textsicher und tongenau fast mehr singt als der Sänger selbst.

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