Kurzkritik:Dänische Poesie

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Der Bassist Chris Minh Doky beim BMW-Welt-Jazz-Award

Von Dirk Wagner, München

Vielleicht liegt es daran, dass Dänemark hierzulande doch mehr Sommerfrischler als Wintertouristen lockt, dass der neue nordische Jazz des dänischen Kontrabassisten Chris Minh Doky geradezu frühsommerliche Assoziationen weckt. Zwei Jahrzehnte lang hatte Doky in den USA gelebt. Viele hätten ihn schon als amerikanischen Bassisten betrachtet, erzählte Chris Minh Doky am Sonntagvormittag im Doppelkegel der BMW-Welt, was wohl einer Art Ritterschlag im Jazz gleichkommt. Insofern wurde es wahrscheinlich Zeit, dass er mit seinem neuen Album "New Nordic Jazz", das der Sohn eines Vietnamesen und einer Dänin beim BMW-Welt-Jazz-Award nun präsentierte, wieder ganz stark das nordische Lebensgefühl betont. Zurück zu den Wurzeln also.

Mit Stücken wie "Sommerpiger på cykel" lädt Doky zu einer musikalischen Fahrradtour ein, auf der er mal melancholisch, mal geradezu übermütig durch die Klanglandschaften gleitet, die ihm der Pianist Poul Reimann und der Schlagzeuger Jonas Johansen bereiten. Obwohl die Finger dabei fast mit der Geschwindigkeit eines Gitarristen über die Saiten schnellen, geht dennoch eine Ruhe von seinem Spiel aus, als könne er damit die Zeit anhalten. Wenn Dokys Bassspiel dann noch im Volkslied "I skovens dybe stile ro" die Gesangsmelodie betont, entsteht eine ganz persönliche Bindung. Als würde eine Mutter ihrem Kind ein Wiegenlied singen, so berühren die einzelnen Passagen.

Dann wieder tollen die Musiker wie tobende Kinder herum. Etwa wenn der Pianist in Thelonious Monks "Green Chimneys" das Thema von Duke Ellingtons "It don't mean a thing if it ain't got that swing" andeutet, nur weil Doky zuvor gesagt hatte, dass es ihm nach all dem nordischen Jazz nun nach etwas Swing gelüstet. Dabei hat gerade sein nordischer Jazz einen ganz eigenen Swing. Und der schwingt auch dort mit, wo das dänische Trio etwa Stings "Sister Moon" lyrisch adaptiert. Oder auch da, wo man in Chris Minh Dokys "Home Sweet Home" immer deutlicher Zuccheros hymnisches "Senza una donna" zu hören glaubt. Ein großartiger Auftakt des diesjährigen BMW-Welt-Jazz-Awards, bei dem in der aktuellen Ausgabe die Bassisten geprüft werden.

© SZ vom 24.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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