Kurzkritik:Bewegende Pein

Tal und Groethuysen im Herkulessaal

Von Rita Argauer

Es ist paradox, wenn man sich in seinen Entführer verliebt. Doch das Stockholm-Syndrom, also die Zuwendung zu dem, was einen gefangen hält, geschieht auf artifizieller Ebene beim Konzert des Klavierduos Yaara Tal & Andreas Groethuysen im Herkulessaal.

In der zweiten Hälfte des Konzerts spielen sie Reinhard Febels zeitgenössische Bearbeitung über Bachs "Kunst der Fuge". Eine gute Stunde dauert der Ausschnitt, viel zu lang, auch weil man davor mit Griegs romantischer Auffüllung von Mozarts bekannter Sonata facile, Debussys Neuarrangement von Schumanns "Studien für Pedalflügel" und Saint-Saëns' Variationen über ein Beethoven-Thema schon sehr bewegende Musik gehört hatte. Tal und Groethuysen spielen wie immer mit tiefem Verständnis und überraschender Präzision. Ein wunderbares Konzert. Doch dann kommt der Brocken.

Bachs letztes Werk, das diesen Todesschimmer der Unvollendung trägt, wird von Febel in ein andauerndes Zittern versetzt. Er spielt die Musiker gegeneinander aus. In rhythmischen Minimalstabständen klingen die Klaviere selten zusammen, sondern bilden einander ein permanentes Echo. Unfassbar enervierend und gleichzeitig von kaum auszuhaltender Schönheit. Aus Bachs Strukturtreue und dem Urthema entwickelt sich eine andauernde Spiegelung von Vergangenheit und Gegenwart - mystisch, verworren und grandios musiziert. Man wankt nach Hause danach, in der Hoffnung, dass das Duo dieses Stück bald aufnimmt, veröffentlicht und man diesem Peiniger so schnell wieder begegnen kann.

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