Kurzkritik:Bachs Welt

John Eliot Gardiner mit einem Weihnachtsprogramm

Von MICHAEL STALLKNECHT

Weihnachten und Johann Sebastian Bach? Das bedeutet auch in diesem Jahr wieder unzählige Aufführungen des Weihnachtsoratoriums. Dass sich die Erfolgskombination auch ganz anders einlösen lässt, zeigt in der Philharmonie der Dirigent John Eliot Gardiner. Angereist mit dem Monteverdi Choir und den English Baroque Soloists, kombiniert er die Kantate "Süßer Trost, mein Jesus kömmt", komponiert für den dritten Weihnachtsfeiertag 1725, mit dem "Magnificat" in der Frühfassung aus dem Jahr 1723, die im Gegensatz zur späteren Fassung noch vier teils volkstümliche weihnachtliche Einlegestücke enthält. Selbst hinter der Lutherischen Messe BWV 233 zu Beginn kann man einen listig verkappten Bezug vermuten: Für den letzten Satz hat Bach eine eigene frühere Weihnachtskantate umgearbeitet.

Nun: Gardiner für seine Bach-Kenntnis zu loben, bedeutet, Eulen nach Athen zu tragen. Gerade ist von ihm ein umfangreiches, auch inhaltlich gewichtiges Buch über den größten aller Komponisten erschienen. Aber es bleibt doch faszinierend zu erleben, wie Gardiner mit den beiden von ihm gegründeten Ensembles diese Inhalte unmittelbar erfahrbar macht. Wie beim Monteverdi Choir üblich, sind knapp die Hälfte der zwanzig Choristen an diesem Abend auch als Solisten im Einsatz. Damit kann Gardiner nicht nur für jedes Stück, sondern sogar für jeden einzelnen Satz den passenden Solisten wählen.

Der fast kindlich klingenden Sopranistin Angela Hicks zum Beispiel fällt in der Weihnachtskantate die Vermittlung des Urvertrauens zum neugeborenen Jesus zu, während Gottes machtvolle Seite im "Magnificat" im fülligen Bass Gianluca Burattos ihre Übersetzung findet. Der Counter Reginald Mobley bringt mit seiner bestechenden Phrasierungs- und Textdeutungskunst gleich mehrere Stücke auf ihren inhaltlichen Punkt. Dass ein aus solchen Solisten bestehendes Ensemble auch Bachs hochvirtuose Anforderungen an die Chöre mit Leichtigkeit erfüllt, versteht sich von selbst.

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