Kurzkritik:Am Anfang

Valery Gergiev erkundet Bruckner in der Philharmonie

Von Egbert Tholl

Erst einmal verblüfft die Akustik. Valery Gergiev hat das Orchester an die Rückwand gedrängt, die Kontrabässe bilden eine Reihe direkt davor, der Raum auf dem Podium vor dem Orchester wird mit Treppenstufen kaschiert. Die Streicher wirken so plastisch wie transparent, die Holzbläser prägnant; es entsteht sogar ein wohltuender Druck, den Gergiev aber nicht immer austariert. Mit dieser Orchesteraufstellung wird die Philharmonie zu einer interessanten, aber kapriziösen Diva, schnell wird etwas scharf, die immense Distanz zu den Münchner Philharmonikern bleibt, aber die Durchsichtigkeit ist enorm.

Aber dieses Gewicht! Selbst die Champagnermusik der ersten Symphonie von Prokofjew mag nicht so recht abheben, zumal manches nicht exakt ausformuliert erscheint. Besser, schöner und überhaupt ziemlich großartig danach Prokofjews Siebte als durch und durch sentimentale Feier der Neoromantik. Das kann Gergiev ja wie kaum ein anderer: Melos ohne Schmalz!

Danach Bruckner. Muss wohl sein. Die Dritte, mit der sich der Österreicher vor Richard Wagner in den Staub warf. Hier klingt sie, als spielten Fafner und Fasolt mit riesigen Klangbausteinen. Metaphysik? Nein, aber eine hohe Ehrlichkeit, die je nach persönlicher Bruckner-Auffassung etwas sehr Befriedigendes hat. Bei aller Klangschönheit, bei allen mitunter hymnischen Momenten: Ein Krimi ist das nicht. Gergiev vermeidet jedes Extrem, was er von dem Stück will, erzählt er nicht. Es findet statt, mehr nicht.

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