Kurzkritik:Alles optimiert

"Was wollt ihr werden?" Eine Performance in der Villa Stuck

Von Christiane Lutz

Das Ganze fängt ziemlich gut an: Jeder Zuschauer wird zu einem Taxi geführt, das ihn 20 Minuten lang durchs nächtliche München fährt, während aus dem CD-Spieler eine Stimme darüber aufklärt, was als nächstes passiert. Der Zuschauer nimmt an einem Schnellkurs in persönlichem Upcycling teil, er soll sich optimieren, um auch morgen noch in München mithalten zu können. "Wer wollt ihr werden?" heißt das neue Projekt von Gesche Piening und dem Kollektiv "Stadtpropheten" in der Villa Stuck.

Wer wollte, konnte zur Vorbereitung ein einstündiges Radio-Feature hören, das Piening für Bayern 2 produziert hatte. Darin lässt sie einfühlsam Menschen in verschiedenen Positionen und Lebenssituationen zu Wort kommen, die vom Optimierungszwang berichten: Schüler, eine Hebamme, die Mitarbeiterin eines Hospiz'. Erschreckend allumfassend sei der Optimierungszwang in der Gesellschaft. Freizeit muss heute genauso optimiert werden wie der Arbeitsalltag. Sogar die ursprünglichsten aller Erfahrungen, der Tod und die Geburt, finden nicht mehr einfach statt, sondern müssen auf die bestmögliche Art ablaufen.

Nun also soll der Zuschauer selbst ein dreistufiges Optimierungsprogramm durchlaufen und sich zunächst schonungslos selbst befragen: "Wie bin ich hier und heute zu bewerten?" Die Idee ist klug, die Ausführung allerdings eher enttäuschend. Wobei das nicht am Aufwand oder der Sorgfalt liegt, der betrieben wurde. Nein, Piening und Kollegen haben in der Villa Stuck einen durchdachten Pfad eingerichtet, dem der Zuschauer folgt. An jeder Station sieht er Videos von Menschen, die von Stress berichten, von ihrer Unfähigkeit, Konflikte anzusprechen, von Agenturen, die Träume für ihre Mitglieder erfüllen. Es werden viele kluge Fragen gestellt, die, das ist klar, jeder Zuschauer für sich selbst beantworten soll. Mehr jedoch nicht.

Statt des angekündigten "Coachings" verharrt die Performance auf der Metaebene der Fragestellung. Vielleicht war es Kalkül, den Zuschauer im Taxi auf ein sehr konkretes, praktisches Ereignis vorzubereiten und ihn dann in einer Wortwelt voller Selbstzweifel und offenen Fragen hängen zu lassen, um die Erkenntnis zu verstärken, dass das mit der Optimierung ziemlich bescheuert ist. Das allerdings wäre ein alter Trick. Das schöne Konzert, das im Anschluss an die Performance stattfindet, bei dem Musiker wie Knarf Rellöm und Maria Hafner lustige Songs gegen Optimierungswahn und persönliches Phlegma vortragen, tröstet nicht darüber weg, dass die Performance leider nicht einlöst, was sie versprach.

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