Kurzkritik:Alles Moll

Pianist Leif Ove Andsnes und das Philharmonia Orchestra London

Von Klaus P. Richter

Der Abend in der Gasteig-Philharmonie stand im Zeichen von d-Moll. Allerdings von ganz verschiedenen musikalischen Göttern: Mozart und Bruckner. Aber mit zwei musikalischen Interpreten von gleichem, großen Format: Andris Nelsons und Leif Ove Andsnes, beide kongeniale Geister aus dem nordisch-baltischen Musikreservoir, dessen lebendige Authentizität immer wieder beeindruckt. Dazu als weiterer Star das Philharmonia Orchestra London, ein Hort großer Tradition und feinster Klangkultur. Andsnes temperiert das d-Moll von Mozarts Klavierkonzert KV 466 gleich zu Beginn zu introvertierter Dramatik. Es ist nicht die tragische Dramatik von "Don Giovanni", sondern eine untergründige Piano-Glut verhaltener Erregtheit, die er, immer assistiert mit höchster Piano-Delikatesse von Andris Nelsons und dem Londoner Orchester präsentierte. Erste höhere Erregungsschübe lässt Andsnes dann erst im virtuosen Laufwerk der Kadenz zu. Aber erst im letzten Satz spitzt er sie im ersten Teil weiter zu, ohne je seinen makellosen Mozart-Ton preiszugeben.

Auch in der Zugabe, einer Romanze von Jean Sibelius, bleibt Andsnes im verinnerlichten Piano, nur im Mittelteil gibt es mehr Dramatik. Dann leuchtete Nelsons Anton Bruckners d-Moll in seiner letzten, der neunten Sinfonie aus. Er steuerte sie zwischen den erratischen Ausbrüchen und den Inseln spiritueller Andacht, ohne die strukturellen Fäden aus den Augen zu verlieren. Im Scherzo konnten die Londoner nicht nur ihre ganze Fortepracht ausspielen, sondern auch die Strahlkraft ihrer Blechbläser-Riege vorführen. Das Adagio, der letzte komplette Satz des sinfonischen Legats von Bruckner, endet zwar in hellerem E-Dur. Aber der grelle Nonensprung und die verschleierte Chromatik vor den neuen, heftigen Forte-Stürmen wurden auch zur bestürzenden Erfahrung eines unvollendeten d-Moll.

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