Kurzkritik:Achtzigerflair

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Die Indie-Pop-Band "Klez.e" und ihre Hommage an "The Cure"

Von Jürgen Moises, München

Wenn Tobias Siebert etwas macht, dann richtig. Das heißt, wenn der Berliner Singer-Songwriter und Produzent mit seiner Band Klez.e unter dem Titel "Desintegration" eine Hommage an The Cure abliefert, dann macht er das stilecht bis hin zur Struwwelfrisur von Robert Smith. Auch die Musik, die Siebert zusammen mit Daniel Moheit und Filip Pampuch an Gitarre, Bass, Synthesizer, Orgel und Schlagzeug bei der Live-Präsentation in der Milla abliefert, atmet entsprechend düsteres Achtzigerjahre-Flair. Genauer: das von 1989. In jenem Jahr kam das The-Cure-Album "Disintegration" heraus, auf das sich Klez.e erkennbar beziehen. Eine Nostalgieveranstaltung ist "Desintegration" trotzdem nicht. Im Gegenteil nutzt Siebert, der 2015 mit seinem Soloprojekt "And the Golden Choir" eines der besten Pop-Alben der vergangenen Jahre abgeliefert hat, die dunkle Wave- und Postpunk-Folie dafür, um ein düsteres Bild von unserer Gegenwart zu zeichnen.

"Mauern", "Flammen", "Schwarz" oder Nachtfahrt" heißen die Lieder, in denen es um soziale Kälte geht, um Krieg und um das Ende der Moral. "Gebt mir meine Dosis", singt oder eher näselt Tobias Siebert, Blumfeld zitierend, in "Lobbyist", damit er sich, betäubt mit Antidepressiva, in die Masse integrieren kann. Er tut das über einem dunklen Bass-Motiv, die Gitarre flimmert oder ächzt im Hintergrund, bricht irgendwann aus, um danach minutenlang die gleiche, leise Melodie zu spielen.

Und dann der nächste Ausbruch. Eine Dramaturgie, mit der Klez.e die Intensität des Songs live noch verstärken. Überhaupt wirkt die Musik live noch eine Spur dringlicher als auf dem Album, und trotz der schweren Themen werden Klez.e dafür zu Recht gefeiert. Als Dank gibt es dann noch mindestens fünf alte Klez.e-Songs als Zugaben, oder vielleicht auch als Wiedergutmachung für die letzten acht Jahre. So lange gab es kein Klez.e-Album mehr und keine Tour. Und das waren mindestens sieben Jahre zu viel.

© SZ vom 16.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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