Kurzkritik:Abgang

Erziehungsstück in der Komödie im Bayerischen Hof

Von Geraldine Oetken

Die Lässigkeit ist nicht neu. Dieses coole Handeln im Nebenbei ohne die Künstelei, ohne das sichtbare Überdenken, das geht als erstrebenswertes Ideal auf den Diplomaten und Schriftsteller Baldassare Castiglione am Anfang des 16. Jahrhunderts zurück, der es sich wiederum vom Renaissance-Hof abgeschaut hat. Lässigkeit, das ist es auch, was den Eltern der 4b in "Frau Müller muss weg" fehlt. Sie wollen ihre Kinder auf dem Gymnasium sehen, doch aus Sicht der Helikopter-Spezies gibt die Lehrerin dafür nicht genug, den Schülern gehe es schlecht. Und deswegen muss sie abgesetzt werden. In einem Elterngespräch soll sie dazu gebracht werden, die Klasse abzugeben.

Was als Kinofilm im vergangenen Jahr bereits eine Million Menschen gesehen haben, ist nun in der ursprünglichen Kammerspielversion auf der Bühne der Komödie im Bayerischen Hof zu Gast. Und ein wenig mehr Lässigkeit würde auch dem Spiel gut tun. Von der ersten Minute an pocht die Halsschlagader von Jessica Hövel (Gerit Kling), Elternanführerin, ach nein -Vertrerin, ist die Stimme ständig am Anschlag. Von Beginn an werden die Pointen ausgereizt, die Gesten ins Überkünstliche getrieben. Einzig Frau Müller (Claudia Rieschel) bleibt cool, bleibt ruhig, findet in ihrer Figur eine überzeugende Balance.

So laut, so schnell getaktet startet das Stück, dass bei der späteren Eskalation keine Steigerungsmöglichkeit geboten wird, sich das hysterische Stimmenüberschlagen nur an die vorherigen Ausbrüche anreiht. Es fehlt das Scharfstellen im Spiel, das sensible Abtasten von Dynamik. Stattdessen verliert sich das Spiel in Gesten und schafft es nicht, Überraschendes zu bieten. Dabei kommt keine der Figuren so richtig sympathisch daher, aber auch nicht komplett unausstehlich. Dadurch wird das Spiel gleichgültig. Man fiebert nicht mit, identifiziert sich nicht. Sollen die Kinder doch erfolgreich werden oder eben auch nicht. Soll Frau Müller doch gehen, oder auch nicht. Denn wenn es sowohl den Figuren als auch den Schauspielern an Lässigkeit fehlt, dann eignen sich die Zuschauer diese eben an.

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