Kurzfilm im Netz:Wasserträger Ai Weiwei

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Ai Weiwei spielt in dem Video "Sandsturm" von Jason Wishnow einen Fahrer, der während eines Wassernotstands in Peking Flaschen frei Haus liefert (Foto: AFP)

Ai Weiwei meldet sich als Gesamtkunstwerk zurück: Chinas drangsalierter Aktivist und Künstler tritt in einem Kurzfilm im Netz auf, in dem er einen Wasserlieferanten spielt - mitten im gefährlichen Peking. Realisiert wurde das Projekt in typischer Manier.

Von Kia Vahland

"Wir liefern alle irgendetwas", sagt der chinesische Künstler Ai Weiwei in seiner lakonischen Art. Vielleicht gibt es Begriffe, die sich zu bestimmten Zeiten in verschiedenen Sprachen durchsetzen, weil sie in der Luft liegen - jedenfalls ist auch im Deutschen in letzter Zeit zu hören, jemand solle "liefern" oder tue eben das nicht, gleich ob es um politische Konzepte, die Ansprüche von Unternehmensberatern an Angestellte oder die Arbeit eines Freiberuflers geht: Irgendwie liefern wir alle immer zu wenig.

Die Vokabel klingt ein bisschen nach einem wortkargen Fahrer, der bis spät in die Nacht schwere Waren durch die Stadt fährt und zu den Leuten hinaufträgt.

Ai-Weiwei-Ausstellung in Berlin
:Aus der Welt des Misstrauens

China verweigert ihm die Ausreise, doch seine Arbeiten sind nun in Berlin zu sehen: Ai Weiweis Ausstellung "Evidence" zeugt von seinem Kampf gegen Überwachung und Repression. Dieser fleischgewordene Widerstandsgeist, Sehnsuchtsfigur der Deutschen, könnte auch den Europäern noch unbequem werden.

Von Kia Vahland

Genau dies tut Ai Weiwei nun in dem zehnminütigen Video "Sandsturm" des Filmemachers und Autors Jason Wishnow (online zu sehen unter: www.wishnow.com/shorts.php). Er spielt einen Fahrer, der während eines Wassernotstands in Peking mit einem kleinen Gefährt dicke Flaschen frei Haus liefert.

Wie meistens, wenn der in China drangsalierte Aktivist und Künstler nicht als Interviewpartner diverser Medien, sondern als Gesamtkunstwerk vor einer Kamera erscheint, schweigt Ai - und wirkt dadurch noch präsenter: In "Sandsturm" zu sehen ist ein Beobachter mit dicker Schutzbrille, der alles, was ihm während des Ausnahmezustands begegnet, mit dem Handy aufnimmt. Und damit die anderen Figuren gehörig verunsichert.

Dezente Bitte um Fördergelder

Leider sprach der Regisseur an seiner statt und bewarb den Film mit viel Tamtam und dem Hinweis auf den Weltstar Ai Weiwei, der auch dabei sei - mitten im gefährlichen Peking. Was der Künstler gar nicht goutierte - er behält gerne die Kontrolle über das, was in seinem Namen geschieht.

Wishnow hatte zu viel des Guten geliefert, musste sich wortreich entschuldigen und durfte danach ein zweites Mal, diesmal etwas dezenter, auf der Internetseite Kickstarter.com um Fördergelder bitten. Mehr als 100 000 Dollar gaben die Nutzer der Crowdfunding-Plattform daraufhin; für einen Kurzfilm ist das eine beträchtliche Summe.

Die Methode, das Publikum um Unterstützung zu bitten, entspricht Ai Weiweis Arbeitsweise durchaus. Auf die Art hat er schon katastrophal überhöhte Steuerforderungen der chinesischen Behörden beglichen. Und seine Bekanntheit verdankt er zu guten Teilen seinen Sprüchen auf Twitter und anderen Kurznachrichtendiensten, die jeder ohne vermittelnde Instanzen lesen kann. Wie kein anderer seiner Künstlerkollegen versteht sich Ai Weiwei auf die direkten Lieferwege.

© SZ vom 04.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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