Kurt Kister: Deutscher Alltag:Sensibelchen und Großmaul

Dass das nichts wird mit Klinsmann und dem FC Bayern, war schon klar, als der Fußballer einst im Gefolge von Gerhard Schröder eine Kultstätte der Azteken besuchte.

Kurt Kister

Eigentlich hätte man schon im Februar 2002 wissen können, dass das nichts wird mit Klinsmann und dem FC Bayern. Bundeskanzler Gerhard Schröder besuchte Mexiko, wo es noch keine Grippeschweine gab. Während der größte Gerd aller Zeiten wichtige Gespräche in der Hauptstadt führte, machte ein Teil seiner Delegation einen touristischen Ausflug mit dem Bus nach Teotihuacán, einer bedeutenden Kultstätte der Azteken. Im Bus saßen typische Kanzler-Nachlatscher: Beamte, Abgeordnete, Reporter.

Kurt Kister: Deutscher Alltag: Schon die Azteken haben gerne mit dem Ball gespielt. Hier zeigen sie in Berlin, wie das aussah.

Schon die Azteken haben gerne mit dem Ball gespielt. Hier zeigen sie in Berlin, wie das aussah.

(Foto: Foto: dpa)

Außerdem noch drei "Sondergäste Kultur", nämlich der sensible Dichter Durs Grünbein, der großmäulige Malerfürst Markus Lüpertz sowie der zu jenen Zeiten sich außer Diensten befindende Fußballer Jürgen Klinsmann. Der Kanzler hatte sie mitgenommen, weil Schröder laute Maler, leise Dichter und bekannte Fußballer fast so sehr schätzt wie Russen, Chinesen und Erdöl. Außerdem hatte Klinsmann als Spezialqualifikation noch ein Projekt für Straßenfußballkinder, das er in Mexiko finanzierte.

Während im Bus der Maler Lüpertz dem Dichter Grünbein erklärte, wie dumm Kritiker sind, blickte Klinsmann melancholisch aus dem Fenster. Er sprach kaum. Als man in Teotihuacán angekommen war, sagte er auf dem großen Platz vor der ehrfurchtgebietenden Sonnenpyramide: "Da könnte man schön Fußball spielen." Dann sagte er nicht mehr viel - im Gegensatz zum Malerfürsten, der dauernd redete und dabei mit einem Gehstock, gekrönt von einem silbernen Totenkopf, herumfuchtelte.

Wahrscheinlich wäre es gescheiter gewesen, der FC Bayern hätte Lüpertz als Trainer engagiert und Klinsmann in Ruhe gelassen. Lüpertz malt mindestens so gut, wie Beckenbauer Fußball gespielt hat, außerdem kann er auch so blöd daherreden wie der Beckenbauer, nur dass das bei Lüpertz auch noch gebildet klingt. Motivieren würde er die Millionenbuben mit seinem Schädel-Gehstock so, wie der Alte Fritz seine Kanaillen mit dem Gehstock vorangetrieben hat.

Klinsmann war zu sensibel für den FC Bayern. Zwar mühte er sich, die Leute in der Kabine heiß zu machen. Hörte man dann aber, wie er von einem "geilen Spiel" sprach und dabei das "ei" in geil kässpatzenhaft in die Länge zog, wusste man, dass er bald wieder zurück sollte nach Kalifornien, wo sich niemand daran stößt, wenn einer Buddhas aufs Dach stellt.

Jedenfalls zeugte schon Klinsmanns Wunsch, vor der Sonnenpyramide zu Teotihuacán Fußball zu spielen, von lebensfrüh erreichter Weltweisheit - aber auch von Resignation. Das ist kein Wunder, denn wer das Wesen der Welt erkennt, der muss resignieren. Zwar kommt es nicht so häufig vor, dass Schwaben das Wesen der Welt erkennen, aber in gewisser Weise ist Klinsmann ohnehin wenn nicht der Heidegger des Fußballs, so doch der Hoeneß der Philosophie.

Schon die Azteken haben gerne mit dem Ball gespielt, manchmal sogar um ihr Leben. Wer verlor, wurde geopfert. Der Ballspielplatz, behauptet jedenfalls Wikipedia, hieß Tlachtli, der Ball angeblich Olli. Der spielt auch nicht mehr beim FC Bayern.

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