Kurt Cobains Geburtstag:Der Mann im Regen

Heute wäre Kurt Cobain 40 Jahre alt geworden. Doch warum wollen oder können wir uns den Sänger von Nirvana nicht als gereiften Rockstar vorstellen?

Franziska Seng

Rainy City - verregnete Stadt - heißt Seattle im Volksmund, da die Anzahl der Tage, an denen es durchregnet, ungewöhnlich hoch ist.

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Die verregnete Atmosphäre passt zu dem Bild, das sich beim Ortsfremden einstellt, wenn er den Namen Seattle hört: Ist man nicht gerade ein eingefleischter Fan von Meg-Ryan-Filmen (Schlaflos in Seattle) oder den Basketballspielern der Seattle Supersonics, denkt man an: Kurt Cobain, den Mann, der sich mit 27 Jahren mit einer abgesägten Schrotflinte in den Kopf geschossen hat.

Erfüllte Vergangenheit

Heute wäre der Sänger der Musikgruppe Nirvana 40 Jahre alt geworden. Jedoch befällt einen eine gewisse Unlust, ein Befremden, versucht man sich den Rockstar als Mann von 40 Jahren vorzustellen.

Aber warum eigentlich? Liegt es am Mythos des zu früh verstorbenen Genies, dass einem für sein Idol eine zwar zu kurze, aber erfolgreich abgeschlossene Vergangenheit befriedigender erscheint als eine Unglück und Missgeschick bergende Gegenwart?

In der Tat, auf den ersten Blick scheint sich Kurt Cobain einzureihen in die Riege jung gestorbener Idole wie James Dean oder Marilyn Monroe. Auch sie will und kann man sich nicht als weise und milde Altstars vorstellen. Und Kurt Cobain? Er gilt als Ikone der Grunge-Bewegung in Seattle, seine abgehalfterten Outfits wurden stilprägend, ebenso seine Musik. Mythisierung und Verschwörungstheorien nach seinem Tod verdeutlichen Cobains hohe Popularität.

Doch das Besondere an Kurt Cobain ist eben nicht die Legende des zu früh Verstorbenen. Der Grund, warum wir uns den Nirvana-Sänger nicht als 40-Jährigen vorstellen können, ist ganz einfach: Kurt Cobain scheint niemals jung gewesen zu sein. Bereits in seinen Zwanzigern wirkte er furchtbar alt.

Sprachrohr einer Generation

Eigentlich hätte er mit seinem Äußeren - blonde Haare und strahlend blaue Augen - dem Bild eines sauberen, schwiegermutter-kompatiblen Rockstars entsprechen können, doch Cobains Körperhaltung widerlegte diesen Eindruck. Auf Fotos und in Musikvideos sah man eine geschundene Kreatur, die sich im permanenten Kriegszustand mit sich selbst befand. Psychische und physische Krankheiten, ausgelöst und gefördert durch den ständigen Drogenkonsum, erschütterten ihn heftig. In der Beziehung zu der nicht minder labilen Courtney Love, Frontfrau der Grungeband Hole und selbst drogenabhängig, war kein Halt zu finden.

Aus der ausweglosen Melancholie schöpfte Cobain jedoch eine Intensität, mit der er den Nerv der Zeit traf: Mit Songs wie "Smells like Teen Spirit" oder "Come as you are" verlieh er der "Generation X" eine Stimme. Zu den Höhepunkten von Cobains künstlerischem Schaffen zählt das Konzert, das Nirvana für die MTV-Unplugged-Reihe gab: Das Publikum sitzt totenstill auf seinen Plätzen und lauscht der dünnen, brüchigen Stimme Cobains, die dennoch den ganzen Raum füllt. Der sitzt auf einem Barhocker und schlägt auf der Akustikgitarre monotone Akkorde an. Er hat die Augen geschlossen und blickt in sich hinein.

Cobain trägt eine graue Wollweste, die grau ist wie hundert Tage Regenwetter, sie passt zu seinen traurigen Songs und Texten: Schließlich war Seattle, die "Rainy City" seine Heimatstadt.

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