Kunstwelt:Der Direktor des New Yorker Metropolitan Museums tritt ab

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Thomas Campbell gibt die Position des mutmaßlich mächtigsten Museumschefs der Welt offenbar nicht freiwillig auf. Dabei verzeichnete man unter ihm Besucherrekorde.

Von Peter Richter

Einer der beeindruckendsten Momente im New Yorker Kulturleben ist jeden Tag der, wenn sich im Metropolitan Museum of Art die Öffnungszeit dem Ende nähert. Dann bauen sich die Museumsaufseher zu einer Kette auf und treiben, ganz langsam und Raum für Raum, die Besucher vor sich her nach draußen. Man darf sagen: Die Kunstbetrachtung intensiviert sich dann; unter den letzten Blicken werden die Schätze immer kostbarer. Die Leute könnten zwar am nächsten Tag wiederkommen, aber dann müssten sie wieder 25 Dollar Eintritt bezahlen, und nicht alle wissen, dass das nur eine "empfohlene Spende" ist. Wer die strafenden Blicke der Kassierer erträgt, darf durchaus deutlich weniger geben.

Offenbar wissen es aber inzwischen doch zu viele. Am Dienstagnachmittag wurde bekannt, dass Metropolitan-Direktor Thomas Campbell von seinem Posten zurücktritt. Wie üblich lautete auch bei Campbell die Begründung, er wolle sich nun anderen Stationen seiner Karriere zuwenden. Aber es ist ein eher offenes Geheimnis, dass der 54 Jahre alte Kunsthistoriker die Position des mutmaßlich mächtigsten Museumschefs der Welt - und die geschätzt 1,4 Millionen Dollar Jahresgehalt und die Dienstwohnung auf der Fifth Avenue - nicht wirklich freiwillig aufgibt. Statt der Wärter sind es bei ihm die Board Members, die Mitglieder des Vorstandes, die den Mann nun zum Verlassen des Museums drängen.

Im vergangenen Jahr kamen sechs Millionen Besucher, ein Rekord

Der Grund dürfte in den Finanzen liegen. Anfang des Jahres wurde erst Campbells ambitioniertestes Projekt auf unbestimmte Zeit verschoben: der Bau eines 600 Millionen Dollar teuren Flügels für die Kunst der Moderne und der Gegenwart. Kurz darauf erschien in der Wochenendausgabe der New York Times eine mehrseitige Geschichte über die wirtschaftliche Schieflage des Hauses und über die Häufung von Entlassungen. Spätestens von da an galt Campbells Abgang nur noch als eine Frage der Zeit. Angezählt war er schon seitdem ihm mit Daniel Weiss demonstrativ ein Präsident vor die Nase gesetzt wurde, der sich zuvor im universitären Bereich mit der Verwaltung von Budgets hervorgetan hatte.

Dabei waren unter Campbell neue Besucherrekorde erzielt worden: mehr als sechs Millionen in der Saison 2015/2016. Das war nicht zu übersehen. Die große Eingangshalle wirkte zuletzt regelmäßig wie die der Grand Central Station im Berufsverkehr. Wirklich allein mit den Exponaten war man eigentlich nur noch in der Sammlung historischer Baseball-Karten, die sich versteckt in einem Zwischengeschoss befindet, und, naja: in den Sälen mit der Gegenwartskunst.

Auf diesem unter New Yorks Mäzenen prestigeträchtigstem Feld hinkt das Metropolitan der Konkurrenz von Museum of Modern Art, Guggenheim und Whitney Museum seit Langem sonderbar hinterher. Campbell wollte das ändern. Er wollte offenbar generell mehr Modernität ausstrahlen. Viel Geld wurde in Internet-Projekte gesteckt und offensichtlich nicht wieder hereingeholt. Viel Geld hat auch das Re-Branding gekostet; "The Met", wie es sich jetzt kumpelhaft selbst nennt, hat seit einiger Zeit nun einen Schriftzug, der aussieht wie ein typografischer Auffahrunfall. Und viel Geld hat es gekostet, das vom Whitney Museum verlassene Gebäude von Marcel Breuer auf der Madison Avenue zu übernehmen, nämlich 16 Millionen für die Renovierung, und 17 Millionen pro Jahr für den Betrieb. Dafür hat auch "The Met Breuer" jetzt deutlich mehr Besucher als das Whitney dort je hatte. Die Ausstellungen dort, zuletzt die große Retrospektive von Kerry James Marshall, sind jetzt schon legendär.

Aber offensichtlich hat man sich im Vorstand allmählich Sorgen darüber gemacht, wie viele großartige Ausstellungen in Zukunft überhaupt noch bezahlt werden können, wenn die Mittel weiter so rapide schwinden - und wie viele Kustoden und Kuratoren fürs eigentliche Kerngeschäft, die enzyklopädisch wuchernden Sammlungen.

Wie das Personalentscheidungen dieser Art so an sich haben, sind die Spekulationen über Campbells Nachfolge bereits im Gange. Schon kursieren die Namen von MoMA-Chef Glenn Lowry sowie der von Michael Govan, dem Leiter des Los Angeles County Museum of Art. Beide stecken zwar selbst in babylonischen Bauprojekten, die sie selber angeschoben haben, aber beide hätten die Expertise, Häuser der Moderne durchaus einträglich zu managen. Es wäre allerdings ein radikaler Paradigmenwechsel, nachdem mit Campbell noch ein Gobelin-Experte aus dem eigenen Haus berufen worden war. Sollte den Hütern des Metropolitan dagegen eher an einer Besinnung auf die traditionelleren Stärken des Hauses gelegen sein, könnte unter Umständen auch der Name Daniel Weiß noch einmal eine Rolle spielen. Der jetzige Präsident kennt sich nicht nur mit Zahlen aus, er ist auch Mediävist.

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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