Kunstschmuggel:Eine für alle

In Rom hat der Prozess gegen die langjährige Kuratorin des Getty Museums in Los Angeles, Marion True, begonnen. Es geht um die Schattenseiten des Geschäfts: den Ankauf geraubter Kunstwerke. Indirekt sitzt jedoch nicht nur die 57jährige Amerikanerin, sondern die gesamte Museumsbranche auf der Anklagebank.

Stefan Ulrich

Marion True muss gelitten haben diesen Mittwoch in Rom. Nicht nur, weil der Prozess gegen sie wegen Kunstschmuggel und Hehlerei begann, sondern auch wegen der Scheußlichkeiten, die dieser Dame der internationalen Museumsszene zugemutet wurden: Das "Tribunale Ordinario di Roma" ist in drei überdimensionierten Gebäuderiegeln aus altem Sichtbeton und vergammelten schmalen Fensterreihen untergebracht. Der Gerichtssaal der 6.Strafkammer ist muffig und schlecht erleuchtet, nur hinter der Richterbank lassen einige grellbunte Bleifenster etwas Licht herein. Schon hier zu sitzen ist eine Strafe.

Getty_AP

Diesen 2300 Jahre alte griechische Krater hat das Getty-Muesum inzwischen dem italienischen Staat zurückgegeben.

(Foto: Foto: AP)

Die Angeklagte, langjährige und legendäre Kuratorin des Getty Centers in Los Angeles, schien sich panzern zu wollen gegen diese Tristezza. Mit versteinertem Gesicht und zum Helm toupierten Haaren saß die Kunsthistorikerin in der ersten Mittelreihe und hörte regungslos dem ersten Schlagabtausch zwischen dem vorsitzenden Richter und den Anwälten zu. Sie hätte sich das alles nicht antun müssen, hätte ihren Verteidigern das Feld überlassen können. Denn das italienische Prozessrecht verlangt nicht zwingend, dass die Angeklagten persönlich anwesend sind. Doch Marion True ist gekommen aus Frankreich, wo die 57 Jahre alte Amerikanerin derzeit lebt.

Museumsmanager weltweit bangen mit

Ihr Erscheinen zeigt, wie entschlossen sie um einen Freispruch kämpfen will. Museumsmanager in aller Welt müssen dabei mit ihr bangen. Denn in Marion True, einer Spezialistin für antike Kunst, wird der ganzen Branche stellvertretend der Prozess gemacht. Schließlich geht es um die Schattenseite der glänzenden Kunstwelt, um Raubgrabungen, Schwarzmärkte und Schmuggel. Es geht um die Frage, wie weit Museen gehen dürfen, um ihre Sammlungen zu bereichern, und es geht darum, ob sich ein Land wie Italien gegen die Plünderung seines künstlerischen Erbes wehren kann.

Italiens Kulturminister Rocco Buttiglione erklärte, mit diesem Prozess sei "das Zeitalter des Kunstschmuggels vorbei". Italien schaue nicht länger zu, wie auf seinen Rechten "herumgetrampelt" werde. Sollte Frau True, die sich kürzlich vom Getty Center trennte, verurteilt werden, dürften bald weitere Prozesse folgen. Die großen Museen besonders in Amerika werden sich dann wohl mit zahlreichen Rückgabe-Forderungen konfrontiert sehen. Così fan tutti - mit dieser Floskel können sich die Kunstkäufer von nun an kaum mehr herausreden.

Marion True und ihr Mitangeklagter, der Kunsthändler Robert Hecht, beteuern ihre Unschuld. Sie wollen nicht gewusst haben, dass 42 etruskische, griechische und römische Kunstschätze im Wert von 20 Millionen Dollar, die True einst mit Hilfe Hechts kaufte, wohl aus Raubgrabungen in Italien stammen. Darunter sind Preziosen aus Bronze, Fresken, bemalte Gefäße, Marmorstatuen.

Italiens Kulturminister: Nahezu der gesamte Kunstmarkt ist illegal

Die Ermittlungen ziehen sich seit zehn Jahren hin. 1995 beschlagnahmte die Schweizer Justiz in einem Warenlager in Genf neben archäologischen Fundstücken auch tausende Fotos von Kunstwerken, an denen zum Teil noch Erde hing und die offensichtlich illegal ausgegraben worden waren. Ein Teil der Bilder zeigte Exponate des Getty-Museums. Im Laufe der Recherche kamen italienische Staatsanwälte schließlich Marion True auf die Spur, der für Antiken-Einkäufe zuständigen Kuratorin. E-Mails und Briefe aus dem Getty Center , die der Los Angeles Times zugespielt wurden, legen nahe, dass True die Wahrheit über die erworbenen Kunstwerke kannte.

Dennoch dürfte es schwierig werden zu beweisen, dass bestimmte Objekte tatsächlich rechtswidrig aus Italien exportiert wurden. Anklage wie Verteidigung haben viele Zeugen aufgeboten, der Prozess dürfte sich lange hinziehen, der Ausgang erscheint offen. Für das italienische Kulturministerium steht in Sachen antiker Kunst allerdings schon zum Auftakt fest: "Nahezu der ganze internationale Markt ist illegal."

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