Kunstmesse:Mit Schild und Bogen

Kunstmesse: Eine ägyptische Mumienmaske aus römischer Zeit mit Originalbemalung ist ebenfalls in Brüssel zu sehen. Sie ist aus Stuck gefertigt und anschließend bemalt worden.

Eine ägyptische Mumienmaske aus römischer Zeit mit Originalbemalung ist ebenfalls in Brüssel zu sehen. Sie ist aus Stuck gefertigt und anschließend bemalt worden.

(Foto: Herve Lewandowski)

Die "Cultures"-Messe in Brüssel ist ein bunter Galerie-Parcour, der Antike, Tribal Art und asiatische Kunst verbindet. Ein besonderer Höhepunkt: die Ausstellung über die Djenné-Kultur auf Mali.

Von Dorothea Baumer

Auch aus einer Sackgasse kann der Blick in die Weite gehen. Die kleine Brüsseler Sackgasse Saint-Jacques zum Beispiel legt das nahe. Von hier aus agieren einige der besten Händler außereuropäischer Kunst weltweit. Sie war auch die Keimzelle einer Initiative, die sich über die Jahrzehnte zu der in Sammlerkreisen höchst renommierten Messe-Trias für Antike, Tribal Art und asiatische Kunst entwickelte. In diesem Jahr tritt sie erstmals mit einem gemeinsamen Katalog und unter dem neuen Titel "Cultures - The World Arts Fair" auf.

Unverändert bleibt aber das sympathische Konzept eines Galerie-Parcours rund um den zentralen Sablon-Platz, wo dicht an dicht Galerien und Antiquitätenläden angesiedelt sind, die für die fünf Messetage ihre Räume auswärtigen Händlern überlassen oder Händlerkollegen mit ihrem Programm als Gäste aufnehmen. Die Messe ist mit rund siebzig Teilnehmern nicht größer geworden, im Einzelnen aber ambitionierter und reicher - nicht zuletzt durch eine ganze Reihe von gelungenen thematischen Ausstellungen. Die Idee der Weltkulturen wird selten irgendwo selbstverständlicher und verführerischer in Szene gesetzt wie in Brüssel bei den "Cultures"-Tagen.

Dass sich Brüssel, stets in Konkurrenz zu Paris, als eine Wiege des Handels mit afrikanischer Kunst rühmt und führend in der Kunst Zentralafrikas ist, verrät ein Besuch in der Galerie Ambre Congo. Sie wird von Pierre Loos geführt, einem der Gründer der Brüsseler Messe. In ihrer wunderbar altmodischen Atmosphäre bewahrt sie viel vom Zauber früher Kabinette von Weltreisenden, mit wahren Armeen von Yoruba-Statuetten, den wohl fantastischsten, miniaturhaften Korbflechtarbeiten der Tutsi in Ruanda.

Ein Ereignis für sich darf man die Parade von fünfzig ungewöhnlichen Masken aus den verschiedenen Kongo-Regionen nennen, die gewissermaßen die neue Publikation des Händler-Forschers Marc Felix und elf weiteren internationalen Experten umstellen. Sie erscheint auch in China und bezeugt das rasant steigende Interesse der Volksrepublik an afrikanischer Kultur. Zu den herausragenden Stücken des Ensembles zählt eine männliche Gesichtsmaske der Lwalwa mit extrem vorspringender Nase. Sie war bereits 1935 in Belgien ausgestellt und könnte ein fernes Echo von Picassos Marie-Thérèse-Büsten aus den Dreißigerjahren sein.

Die Pracht vieler Ausstellungen stellt die Antiken-Händler in den Schatten, die ohnehin leiden

Mit über vierzig Ausstellern bilden die Spezialisten für außereuropäische Kunst die stärkste Formation der Messe. Wer ihre Lokalitäten aufsucht, kann auf allen Ebenen fündig werden, bei einem Spektrum, das die kraftvollsten Songye- und Vili-Figuren bei Didier Claes ebenso umfasst wie die dekorativen Schilde, Bogen und geschmiedeten Wurfklingen aus Afrika, Indonesien oder Madagaskar. Diese werden von Patrick & Ondine Mesdagh unter dem ironischen Titel "Back to War" in ihrer Galerie versammelt.

Bereits im letzten Jahr hatte die Messe mit einer Jubiläumsausstellung einen Höhepunkt erreicht, aber 2016 haben sich die Händler mit zwei großartigen Ausstellungen in den Räumen der Ancienne Nonciature noch einmal selbst überboten. In einer imponierenden Schau wirft Bernard de Grunne einen ebenso eindrucksvollen wie historisch fundierten Blick auf die mittelalterliche Djenné-Kultur im alten Mali mit ihren Terrakottafiguren. Sein Händlerkollege Serge Schoffel wiederum feiert mit einem phänomenalen Aufgebot die lang verkannte Kunst der Lobi mit rauen Schnitzwerken.

Damit konkurrieren können die Antiken-Händler natürlich nicht, die derzeit ohnehin von allen Seiten bedrängt erscheinen. Die neu gegründete Tefaf-Tochtermesse im Oktober in New York ließ die Brüssel-Präsenz auf zehn Aussteller schrumpfen. Die heftigen Debatten über das Kulturgutschutzgesetz tun ein Übriges. Das Angebot tangiert die etwas gedämpfte Stimmung freilich nicht, wie man bei Archea Ancient Art sieht, die eine etruskische Figur aus dem zweiten Jahr vor Christus für 45 000 Euro anbietet. Oder bei Günther Puhze, dessen imponierendste Schaustücke zwei apulische Amphoren des vierten Jahrhunderts vor Christus sind, die jeweils 140 000 Euro kosten. Eine zweifellos hervorragende Provenienz bringt bei Roswitha Eberwein eine ägyptische Mumienmaske der römischen Zeit mit. Die Spitzen des Angebots markieren die Exponate der belgischen Harmakhis Galerie. Sie gehen mit den Objekten der New Yorker Merrin Gallery ganz neue Allianzen ein: etwa die bereits 1895 erworbene Serpentin-Statuette eines sitzenden Mannes der 12. Dynastie mit einer Katze der 26. Dynastie, die Diego Giacometti bei seiner Arbeit vor Augen gehabt haben könnte. Oder gar einem bronzenen römischen Cupido, der einem Liebhaber 890 000 Euro wert sein sollte. Das gute Dutzend Asiatica-Spezialisten ist die jüngste Gruppierung. Auch sie hat, was die Messe insgesamt auszeichnet: Potenzial.

Cultures - The World Arts Fair, Brüssel, bis 12. Juni., www.cultures.brussels.

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