Kunstmarkt:Mal mal Malewitsch

Gefälschte Bilder

Industrieller Maßstab: Mehr als 1500 Gemälde und Zeichnungen wurden 2013 sichergestellt. Wie kann es da sein, dass fünf Jahre später voraussichtlich nur zwei Männer zu jeweils gerade mal dreieinhalb Jahren verurteilt werden?

(Foto: Fredrik Von Erichsen/dpa)

Oder Kandinsky? Wir hätten auch Jawlensky... Warum es im Prozess um gefälschte russische Kunstwerke heute vermutlich zu sehr milden Urteilen kommen wird.

Von Catrin Lorch

Die Bilder von der Pressekonferenz wurden in New York genauso gedruckt wie in Tokio. Sie zeigten Gerichtsbeamte, die mit weiß behandschuhten Händen bunte Abstraktionen präsentierten. Mehr als 1500 Gemälde und Zeichnungen hatten Ermittler in einem Holzverschlag in Wiesbaden sichergestellt und die Namen der Künstler, um die es ging, lasen sich wie eine Auflistung der sowjetischen Avantgarde: Kandinsky, Malewitsch, Natalija Gontscharowa, Alexej von Jawlensky. Der Präsident des BKA, Jörg Ziercke, sprach von einem "wichtigen Schlag". Man sei, so hieß es 2013, auf einen Kunstfälscherring gestoßen, der zwischen Israel und Europa operiere.

Hunderte von Beamten hatten monatelang Telefone abgehört, E-Mail-Verkehr überwacht, Verdächtige observiert, zwei der sechs Verdächtigen saßen in Untersuchungshaft. Der Prozess wegen "banden- und gewerbsmäßigen Betrugs und Urkundenfälschung" am Wiesbadener Landesgericht, der im Februar 2015 begann und am heutigen Donnerstag endet, war unter großer Aufmerksamkeit der Medien begonnen worden. In immerhin 18 Fällen glaubte die Staatsanwaltschaft nachweisen zu können, dass Moez Ben H. und Itzhak Z. gefälschte Werke russischer Avantgardekunst angeboten und einige davon auch verkauft hatten, "mutmaßlich für insgesamt über zwei Millionen Euro, an Kunden in Deutschland und Spanien".

Wären all die Werke echt, sie hätten einen Gesamtwert von 750 Millionen Euro

Die beschlagnahmten Gemälde hätten, wären sie denn echt, einen Wert von etwa einer dreiviertel Milliarde Euro. Der Schaden, den sie anrichten, geht aber über den Betrug an arglosen Käufern hinaus. Falsche Gemälde, Skulpturen und Zeichnungen im Stil sowjetischer Revolutionskunst wurden inzwischen tausendfach in Katalogen vervielfältigt oder im Internet abgebildet und verzerren so die Kunstgeschichte. Der Markt gilt als überflutet, Auktionshäuser und Galerien scheuen Einlieferungen neu auf dem Markt auftauchender Werke. Und Museen - wie das Kölner Museum Ludwig - untersuchen misstrauisch ihre Depots. Die Albertina in Wien gab im Januar bekannt, dass man sieben russische Gemälde als Fälschungen abhängen muss, die als Dauerleihgaben aus der Sammlung eines Liechtensteiner Industriellen ans Haus gekommen waren.

Kenner wissen: Die Entdeckung eines unbekannten Werks von Malewitsch ist ein Ereignis, das der Auffindung eines Leonardo-Gemäldes gleich kommt. Wer als Experte Glück hat, kann einmal im Leben eine Zuschreibung vornehmen. Dass der Suprematismus und die Revolutionskunst in der Stalinzeit verfemt waren und es in den Revolutionszeiten auch keine Galerien oder Händler gab, weswegen Auftragsbücher, Bestandskataloge oder Quittungen aus der Entstehungszeit fehlen, verkompliziert bei "Funden" die Provenienzforschung. In den vergangenen Jahren tauchten - wie ein Doyen der Kunsthistoriker-Szene sagt - dennoch lastwagenweise Kunstwerke in Europa auf, die industriemäßig gefälscht und mit abenteuerlicher Herkunft ausgestattet werden: Mal ist es die Privatsammlung eines polnischen Liebhabers, die naiven Sammlern angeboten wird, mal das bei der Moskauer Künstlerwitwe im Regal entdeckte Skizzenbuch.

Doch ist der Nachweis nicht leicht zu führen, dass Verkäufer nicht im besten Gewissen handeln. Und das Fälschen von Gemälden, auch wenn der Maler akribisch die Handschrift, Motive und Stil eines berühmten Künstlers kopiert, ist ohne den Versuch, das entstandene Werk als Original anzubieten, nicht strafbar. Der Wiesbadener Fall hatte für die Staatsanwaltschaft den Charme, dass die Ermittler die perfekt vernetzten Aktivitäten der Akteure verfolgen konnten: Vom Atelier in Israel bis zu den marmorgetäfelten Räumen in der Wiesbadener Innenstadt, in denen die SNC Galerien von 2011 bis 2013 ihren Sitz hatten. Besonders wichtig waren in dieser Kette aus Sicht der Ermittler die gut entlohnten Experten, Kunsthistoriker oder naturwissenschaftliche Labore, die Expertisen ausstellten und die teilweise als Wissenschaftler zumindest fragwürdig erschienen.

Doch der Wiesbadener Prozess hakte immer wieder. Die Verteidiger verzögerten von Anfang an durch eine Flut von Anträgen die Verhandlung. Und es meldeten sich, zur Überraschung der Ermittler, kaum Geprellte. Was nicht unbedingt nur daran liegt, dass Kunstfreunde, die eine Fälschung erworben haben, sich blamiert fühlen oder noch etwas länger in der Illusion leben möchten, es handle sich doch um ein echtes Werk. Im Kunstmarkt, so erklärten es Insider, werde viel Schwarzgeld geparkt - außerdem ist nicht ausgeschlossen, dass man als Käufer mitschuldig ist, wo man zu günstig zugeschlagen habe.

Zudem entwickelte sich im Landgericht über die Monate ein Expertenstreit - die Verteidigung hatte den Nachweis, dass es sich bei den verkauften Werken um Fälschungen handelte, geschickt ins Zentrum der Argumentation gestellt. Ein Prozessbeobachter nennt die angereisten Kunsthistoriker rückblickend "Paradiesvögel", die, anders als Sachverständige aus Laboren, mit Erfahrung und Expertise punkten wollten und schnell gegeneinander ausgespielt wurden. "Die Verteidigung hat den Kunsthistorikern das Leben zur Hölle gemacht", erinnert sich einer der Experten. Das Urteil eines international anerkannten Museumsmannes löste sich wegen unpräziser Formulierungen vor Gericht einfach auf. Und auch die teuren naturwissenschaftlichen Untersuchungen führten nicht immer weiter. "Der Nachweis eines in den Dreißigerjahren noch nicht erfundenen Stahlzianninblaus kann eine Spur sein, aber manchmal schießt die Laborpistole vielleicht auch einfach ein paar Millimeter daneben", erklärt eine Beobachterin. Nur in wenigen Fällen gelang es, gerichtsfest zu beweisen, dass ein Gemälde falsch war.

Dass am Ende auch nur noch zwei mutmaßliche Täter übrig waren, weil der dritte angeblich nur für Hilfsjobs wie Transporte zuständig war und deshalb nur der Beihilfe angeklagt werden konnte, ließ den Vorwurf des "bandenmäßigen" Vorgehens zusammenbrechen, was in kürzeren Verjährungsfristen resultierte. Statt von einem Strafmaß von bis zu 15 Jahren auszugehen, erwarten Beobachter nun, dass die Angeklagten maximal zu dreieinhalb Jahren verurteilt werden, die mit der Untersuchungshaft verrechnet werden.

Hat sich der Aufwand gelohnt? Zumindest bringt jede Ermittlung Erkenntnisse über die Strategien internationaler Netzwerke. Und in der Szene wird jede Verurteilung aufmerksam registriert, als Signal, dass der Staat ihre Taten nicht als Kavaliersdelikte wertet.

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