Kunstmarkt:Das Einmaleins der Kunstfälscher

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Der Streit um die Echtheit des Lucas Cranach zuerkannten Gemäldes einer Venus geht weiter: Was sagen die Farbpigmente aus, welche Rolle spielen die feinen Risse in der Farbschicht? Solche Fragen entscheiden über viel Geld.

Von MICHAEL KOHLER

Vor drei Jahren erwarben die Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein eine Lucas Cranach dem Älteren zugeschriebene "Venus"; das Gemälde kostete sieben Millionen Euro und wurde von einem halben Dutzend Unbedenklichkeitserklärungen begleitet. Im März 2016 beschlagnahmte die französische Polizei die "Venus" als Beweismittel in einem mutmaßlichen Kunstfälschungsskandal, mehrere Cranach-Experten zweifelten die Echtheit des Werkes an. Für Johann Kräftner, Direktor der Fürstlichen Sammlungen, ist die Sache gleichwohl eindeutig: "Es gibt keine Fakten", so Kräftner gegenüber der SZ, "die dafür sprechen, dass das Bild gefälscht ist, aber sehr viele, die dafür sprechen, dass es echt ist."

Bestärkt fühlt sich Kräftner durch ein Gespräch mit den Ermittlern in Paris. In einer schriftlichen Stellungnahme zeigt er sich sicher, die Zweifel an der "Venus" widerlegen zu können. So deute die fehlende Verbindung zwischen den Rissen in der Farbschicht (Krakelee) und dem Bildhintergrund nicht zwingend auf eine Fälschung hin; vielmehr könne "dieses Phänomen an vielen Beispielen aus der Zeit Cranachs nachgewiesen werden". Auch das in der Krakelee gefundene moderne Titanweiß tauge nicht als Beweis, da dieses "durch rezente Restaurierungen eingebracht worden" sei. Ein weiterer Punkt: Laut Kräftner wurden auf der "Venus" drei Farbpigmente entdeckt, die seit dem 17. respektive 18. Jahrhundert "im Wesentlichen" keine Verwendung mehr gefunden haben.

Ob sich die Experten durch Kräftners Ausführungen überzeugen lassen, muss sich zeigen - zumal auch die aktuelle Stellungnahme Fragen offen lässt. So finden sich beispielsweise keine Angaben dazu, wer die "frischen" Restaurierungen durchweiß eingebracht haben soll. Michael Hofbauer, Leiter des Forschungsprojekts Cranach Research, hält diese Frage ohnehin für nebensächlich, da das absichtliche Auftragen moderner Farbpigmente in der Oberflächenstruktur eines Bildes ebenso "zum kleinen Einmaleins der Altmeister-Fälscher" gehöre wie die Verwendung original zeittypischer Pigmente. Hofbauer glaubt zudem nachweisen zu können, dass einzelne Partien des Gemäldes über das - demnach zuvor künstlich erzeugte - Krakelee gemalt wurden. Die Debatte über die Cranach-Venus dürfte weitergehen.

© SZ vom 04.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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