Kunsthistoriker Felix Krämer:Unterschätzt

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Das Museum Kunstpalast hat mehr zu bieten als man annimmt. Sein Direktor Felix Krämer sieht Herausforderungen und großes Potenzial - in den vorhandenen Sammlungen wie auch in der Stadt selbst.

Interview von Johanna Pfund

Felix Krämer ist neu im Kunstpalast Düsseldorf. Im Oktober 2017 löste er Beat Wismer als Generaldirektor und Künstlerischer Leiter der Stiftung Museum Kunstpalast ab. Das ist noch kein halbes Jahr her, doch der 46-Jährige steckt schon mittendrin. Die "Me Too"-Debatte hat den Kunstpalast erreicht, ein Werk aus dem Besitz des Museums - Franz Marcs "Füchse" - wird im Zuge der Restitution von NS-Raubkunst zurückgefordert, und dann gibt es noch eine Sanierung zu bewältigen. Dabei hätte ein Museum andere Aufgaben.

Neun Jahre waren Sie im Städel-Museum in Frankfurt am Main und haben dort Ausstellungen zu Emil Nolde, zu Claude Monet oder den "Geschlechterkampf" kuratiert. Nun sind sie Generaldirektor des Kunstpalasts geworden. Wie fühlt es sich an in Düsseldorf?

Felix Krämer: Sehr gut, weil die Stadt mich sehr herzlich in Empfang genommen hat. Jetzt freue ich mich auf die neue Ausstellung "Black&White". Die Ausstellung passt mit ihrer überraschenden Vielfalt wunderbar in den Kunstpalast.

Mit "Black&White" steckt der Kunstpalast ja nun unversehens in der "Me Too"-Debatte. Sie haben entschieden, zwei Werke von Chuck Close in der Schau zu lassen, obwohl der Künstler in den USA mit Belästigungsvorwürfen konfrontiert wird.

Ich finde die Debatte sehr aufgeheizt. Mit Blick auf die Vergangenheit werden moralische Urteile gefällt. Ich denke, dass eine gewisse Nüchternheit guttun würde. Momentan sehe ich keine Notwendigkeit, die beiden Werke von Chuck Close nicht zu zeigen. Überspitzt formuliert: Sollen wir ernsthaft nur noch Kunstwerke von Menschen zeigen, die sich immer moralisch einwandfrei verhalten haben?

Wie haben Sie das früher gehalten?

Vor Jahren habe ich eine Kirchner-Ausstellung gemacht. Einige der Werke zeigten Kinder in Missbrauchssituationen. Ich entschied mich, explizite Szenen nicht auszustellen, doch weniger drastische Bilder schon und habe diese mit entsprechenden Informationen zu dem Kontext versehen. Es bleibt eine Gratwanderung. Aber ich denke, ein Museum ist auch immer ein Ort der Aufklärung über unsere Geschichte, also ein Ort, an dem nicht nur Gutes und Schönes gezeigt wird. Es ist eine Bildungseinrichtung. Wenn in einem Museum nur Bilder an den Wänden hängen, ohne dass der historische Zusammenhang hergestellt wird, dann ist das deutlich zu wenig.

Also erklärende Worte zum Bild, eine Einordnung?

Ja. Wir können uns nur mit der Kunst auseinandersetzen, wenn man die Objekte zeigt und zur Diskussion stellt. Aufklärung geschieht nicht, indem Dinge weggeschlossen werden. Ein Museum sollte stets ein lebendiger Ort sein, der zum Nachdenken und Meinungsaustausch anregt.

Düsseldorf hat ja in Sachen Kunst derzeit Ärger. Zuerst wegen der Absage der Max-Stern-Ausstellung. Und nun fordern Sammlererben das Bild "Füchse" von Franz Marc zurück, das dem Vorgänger des Kunstpalasts, dem Kunstmuseum Düsseldorf, 1962 geschenkt wurde.

Wie bei vielen Provenienzfällen lässt sich die Geschichte des Bildes leider nicht lückenlos dokumentieren und die Gesamtumstände sind sehr komplex. Wir und auch die Stadt Düsseldorf sind uns der historischen Verantwortung bewusst. Auch deshalb sind wir bereit, die Beratende Kommission anzurufen. Allerdings ist dies nur möglich, wenn die Seite der Erben diesem Schritt zustimmt. Dieses ist bislang noch nicht der Fall. Ich hoffe aber sehr, dass wir schnellstmöglich zu einer Lösung kommen.

Abgesehen von diesen Ereignissen - wie sehen Sie Düsseldorf als Kunststadt?

Ich finde Düsseldorf großartig und absolut unterschätzt. Kunst spielt hier eine zentrale Rolle. Ich kenne keine andere Stadt dieser Größenordnung, in der so viele wichtige, internationale Künstler leben, in der es so viele Galerien gibt, in der Kunst zum Alltag dazugehört. Das sehe ich auch als große Chance für den Kunstpalast.

Der Kunstpalast gehört ja deutschlandweit nicht zu den wichtigsten Häusern.

Ich denke, unser Museum zählt zu denjenigen, die massiv unterschätzt werden. Den Kunstpalast kann man regional spielen, und trotzdem international sein. Denken Sie an Künstler wie Andreas Gursky, Katharina Fritsch, Thomas Schütte, um nur einige wenige zu nennen. Professoren wie Pia Fries oder Karin Kneffel, die in München an der Akademie lehren, reisen von Düsseldorf nach München, bleiben aber unserer Stadt verbunden. Diesen riesigen Vorteil von Düsseldorf als Kunststadt gilt es in der Museumsarbeit stärker zu betonen.

Was wollen Sie denn aus dem Kunstpalast machen?

Ich möchte den Kunstpalast deutlicher als bisher im Zentrum der Gesellschaft etablieren. Wir haben hier ein tolles historisches Bauensemble mit dem Ehrenhof und den Rheinterrassen. Das gibt es in dieser Form in Deutschland kein zweites Mal. Diesen einzigartigen Ort wollen wir mit Leben füllen. In England beispielsweise gibt es nicht so große Hürden zwischen Kunst und Leben, und so etwas muss auch hier möglich sein. Kunst kann auch einfach Spaß machen, das geht manchmal verloren.

Apropos England: Sie sind selbst deutsch-britischer Herkunft. Was könnte man noch von der Insel lernen?

Da gilt es jetzt auf die Klischeefalle zu achten. Aber ich bin eigentlich immer dankbar, wenn die Kunst auch mit einem Augenzwinkern daherkommt, oder wenn eine gewisse Leidenschaft in der Debatte entwickelt wird. Das sind eher britische Tugenden. Unsere Herbst-Ausstellung beschäftigt sich mit Autos. Das sorgt in Deutschland teils für Kopfschütteln - aber im Victoria-und-Albert-Museum in London plant man schon eine solche Ausstellung für 2019. Es ist dort eine Selbstverständlichkeit, dass man keine Mauer einzieht zwischen Kunst und Design. Wir im Kunstpalast können in dieser Hinsicht aus dem Vollen schöpfen: Neben unserem Gemälde- und Grafikbestand haben wir eine Designsammlung sowie eine der weltweit größten Glassammlungen. Künftig will ich das Verbindende betonen.

Wie wollen Sie den Bestand entwickeln?

Kürzlich haben wir 80 Fotos von Anja Niedringhaus erworben. Daran lässt sich schon sehen, wo die Reise vielleicht hingeht. Wir wollen bewusst Erwerbungen tätigen, die an den Rändern angesiedelt sind. Was ich mir auch vorstellen kann: mehr DDR-Kunst. In einer Stadt wie Düsseldorf, die als sehr westlich wahrgenommen wird, sind Künstler aus dem Osten an die Akademie gegangen. Die Geschichte des Ostens hat also auch hier eine Rolle gespielt.

Wo sind Sie in fünf Jahren?

Wir konzentrieren uns nun auf die Ausstellungsprojekte der kommenden Jahre und bereiten die Neueröffnung vor. Was ich hier vorfinde, ist eine Herausforderung, und gleichzeitig ein großes Potenzial.

© SZ vom 20.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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