Kunsthändler-Clan präsentiert Sammlung:Wenn sich Bilder rechnen wie Schweinehälften

Mirós, Modiglianis und Unmengen von Picassos: Der Familie Nahmad wird vorgeworfen, Kunst wie Schweinehälften oder Optionen auf Erdöllieferungen zu handeln. Mit ihren umstrittenen Methoden ist sie allerdings zum weltgrößten Händler von Werken der modernen Klassik aufgestiegen. Nun zeigt der Clan in Zürich erstmals einen Teil seiner gewaltigen Sammlung.

Wolfgang Koydl

Künstler sind oft hochgeachtet, und in womöglich noch höherem Ansehen stehen wohlhabende und kunstsinnige Laien, die für sehr viel Geld Kunstwerke kaufen, um sie in öffentlich zugänglichen Museen und Galerien auszustellen. Nur das Bindeglied zwischen diesen beiden Personengruppen hat eine Reputation wie Scheidungsanwälte, Banker oder Journalisten: der Kunsthändler.

In der Branche erscheint Kunst vielen als zu rein und edel, um mit ihr schnödes Geld zu verdienen. Nicht jeder sieht die Dinge so unverkrampft wie Alfred Barr, Gründungsdirektor des New Yorker Museum of Modern Art: "In der ganzen Geschichte der Kunst spricht das Geld eine sehr lebhafte Sprache", hielt er 1929 fest, passenderweise in einer Werbebroschüre. "Wir dürfen uns nicht schämen zuzuhören."

Innerhalb der Kunsthändlerszene freilich gibt es auch noch Abstufungen, und ausgerechnet einer der erfolgreichsten Clans ist besonders schlecht beleumundet. Die zwei jüngsten Generationen der Nahmad-Familie werden in der Kunstwelt, wie das Magazin Forbes vor einiger Zeit schrieb, zu gleichen Teilen "bewundert und gefürchtet sowie als mächtig, habgierig und mit spitzen Ellbogen versehen" betrachtet.

Außer Zweifel steht, dass sich die Brüder Joseph, Ezra und David Nahmad in den letzten 50 Jahren zu den mit Abstand größten Händlern von Werken der modernen Klassik gemausert haben. Monet, Matisse, Miró, Modigliani und immer wieder Picasso: Die Nahmads haben nach den Worten eines Mitglieds des Auktionshauses Christie's "mehr Kunstwerke verkauft als irgendeine andere lebende Person".

Die Tradition wird fortgesetzt von den Söhnen Ezras und Davids, die beide den Vornamen Helly tragen. Der eine besitzt eine Galerie an der Madison Avenue in New York, der andere ein Geschäft im noblen Londoner Stadtteil Mayfair.

Levantinische Geschäftsmethoden

Das Vermögen des Clans, der seinen Lebensmittelpunkt in Monaco hat, wird vorsichtig auf drei Milliarden Dollar geschätzt. Was die Nahmads seit jeher von der Konkurrenz unterscheidet, sind ihre ungewöhnlichen - Kritiker würden sagen: levantinischen - Geschäftsmethoden.

So wurde ihnen immer wieder vorgeworfen, Kunstwerke zu handeln wie Schweinehälften oder Optionen auf Erdöllieferungen. Tatsächlich ist die Familie auch im Devisen- und Rohstoffhandel tätig, was ihr ein Polster für teure Kunst-Akquisitionen schafft. Dies ermöglicht es ihnen auch, Bilder notfalls so lange zurückzuhalten, bis der Preis steigt. Die Konkurrenz hingegen muss schnell weiterverkaufen, weil sie die Ausgaben für die Ankäufe wieder hereinbringen muss.

Vorwürfe, wonach die Nahmads sich nicht scheuten, Preise und Bedingungen in der letzten Minute zu ändern oder ihren Zahlungsverpflichtungen nur recht schleppend nachkämen, weist der Clan heftig zurück. Unbestritten ist jedoch, dass die Familie - ursprünglich Bankiers aus dem syrischen Aleppo - früher auch gerne mal mit Ehefrauen und Kindern zu prätentiösen Versteigerungen erschienen.

Zwischen Erwachsenen und Nachwuchs entspann sich mitunter lautes Gezänk, derweil die Großen dennoch das Geschehen im Auge behielten und die Preise in die Höhe trieben. Mit klarem Kalkül: Wird das Werk eines Künstlers teuer verkauft, erhöht sich der Wert seiner anderen Werke - und die waren wahrscheinlich längst von den Nahmads in ihrem 4000 Quadratmeter großen Lager am Genfer Flughafen gebunkert.

Vielleicht ein eigenes Museum

Um diese Schatztruhe ranken sich seit Jahren die Gerüchte. Zwischen vier- und fünftausend Gemälde und Skulpturen mit einem Gesamtwert von mehreren Milliarden Dollar sollen in dem Betongebäude lagern; mehrere hundert Bilder davon sind von einer Qualität, für die Museumskuratoren weltweit wenn schon nicht morden, so doch bis über beide Ohren Schulden anhäufen würden.

Nun ist zum ersten Mal ein kleiner Teil dieser Kern-Sammlung, welche die Nahmads nicht verkaufen wollen, der Öffentlichkeit vorgestellt worden: Das Kunsthaus Zürich zeigt bis zum 15. Januar mehr als hundert Werke der modernen Klassik, aus dem Zeitraum zwischen 1870 und 1970.

Einige Bilder haben Rekordpreise erzielt, wie Kasimir Malewitschs "Suprematistische Komposition", für das die Nahmads vor drei Jahren 60 Millionen Franken hinblätterten. Andere sind seit Jahrzehnten nicht mehr öffentlich gezeigt worden, darunter Picassos "Harlekin mit Blumen".

Überhaupt Picasso. Rund 200 Ölgemälde des Spaniers, so schätzt der Londoner Galerist Helly Nahmad, der die Züricher Ausstellung vorbereitet hat, ruhen im Genfer Zollfreilager. "Es ist die zweitgrößte Sammlung der Welt nach jener der Familie Picasso", konstatiert er trocken. Insgesamt 30 Picassos aus dieser Sammlung werden nun im Kunsthaus gezeigt. Außerdem hängen sieben Modigliani-Porträts in Zürich - mehr Werke, als die meisten Museen von diesem italienischen Künstler besitzen -, dazu acht Matisses, sieben Monets und 17 Mirós.

Das Kunsthaus war mit dem Vorschlag einer Ausstellung an die Nahmads herangetreten, nachdem die Familie dem Museum im vergangenen Jahr für eine große Picasso-Schau mehrere Bilder geliehen hatte. Auch die Nahmads scheinen den ungewohnten Schritt an die Öffentlichkeit nicht zu bereuen. Eine solche Show sei ein guter erster Schritt, bevor man eines Tages vielleicht ein eigenes Museum eröffne, erklärte Helly.

Gewinn von 500 Prozent

Dass sich die Familie auf moderne Klassiker konzentriert, geht auf David, den ältesten Bruder, zurück. "Monet und Picasso sind wie Microsoft", hatte er einmal geurteilt. "Wir wissen, dass die Rendite geringer ist als bei zeitgenössischen Gemälden, aber zumindest ist sie sicher."

Das Wort gering im Zusammenhang mit Rendite ist freilich relativ: Vor vier Jahren verkauften die Nahmads einen Modigliani für 30,8 Millionen Dollar, den sie nur fünf Monate zuvor für 18 Millionen erstanden hatten. Dennoch war David Nahmad skeptisch, als sein Neffe in London 50 Werke von Damien Hirst kaufte. Die Skepsis wich Stolz, als Helly sie fünf Jahre später weiterverkaufte - mit einem Gewinn von 500 Prozent.

Eher unkonventionell war Davids eigener Einstieg in den Kunsthandel verlaufen. In den sechziger und siebziger Jahren lebte die Familie in Mailand, und David und sein Bruder Ezra fuhren regelmäßig zum Einkauf in Pariser Galerien, wo die Preise noch niedrig waren.

Als sie dort ihren ersten Picasso erstanden, erwies der sich als zu groß für den Kofferraum ihres Autos. Kurz entschlossen packten sie ihn aufs Dach, wo er jedoch vom Fahrtwind fortgefegt wurde. Erst nach mehreren Stunden Suche fanden sie das Bild am Straßenrand wieder - unbeschädigt. Sollte diese von David immer wieder gern verbreitete Geschichte erfunden sein, so erzählt sie dennoch etwas über die Nahmad-Brüder: Sie tendieren nicht dazu, vor großer Kunst in Ehrfurcht zu erstarren.

David Nahmad ist übrigens überzeugt davon, dass auch wirtschaftlich schwierige Zeiten wie beispielsweise die jetzige globale Finanz- und Schuldenkrise seinem Gewerbe nichts anhaben können. Der Grund, so sagt er, liege doch auf der Hand: "Es gibt sehr wenig Kunst im Vergleich zu der Anzahl der Leute, die sie kaufen wollen." Und für diese Klientel stehen die Nahmads allzeit bereit.

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