Kunstgeschichte:Wadde hadde dada

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Eine Reihe erinnert an eine Kunstbewegung, für die viele Impulse aus München kamen

Von Yvonne Poppek

München war nicht seine große Liebe. Hugo Ball spottete über die Trägheit in jener Stadt, in der er doch so viele Jahre verbrachte: "Wenn es stimmt, dass mein Temperament revoltäre Instinkte hat, so wird mir allmählich klar, weshalb ich in München auf Dauer hätte verkommen müssen." Hugo Ball hatte zu diesem Zeitpunkt die bayerische Landeshauptstadt schon hinter sich gelassen - und war darüber nicht traurig. Ihn zog es zuerst nach Berlin und von dort aus nach Zürich, wo er gemeinsam mit anderen Künstlern im Februar 1916 das "Cabaret Voltaire" in der Spiegelgasse gründete - der Beginn des Dadaismus. Doch auch wenn München aus Balls Sicht zu gemütlich war: Wie wichtig war diese Zeit für ihn? Anders gefragt: Hätte es ohne seine Münchner Phase Dada überhaupt gegeben?

"München spielt in der Geschichte Dadas keine geringe Rolle", sagt der Literaturwissenschaftler und Kulturjournalist Andreas Puff-Trojan. 100 Jahre nach der Gründung des "Cabaret Voltaire" erinnert man sich zwar an die schrille und explosive Kunstbewegung in Zürich, Berlin, Paris. München ist eine Leerstelle - die jedoch keine bleiben soll. "Gä weida Dada. 100 Jahre Dada und München" heißt eine Veranstaltungsreihe, die an diesem Dienstag im Stadtarchiv beginnt und den Gegenbeweis führen soll. München ist nach der Auffassung von Puff-Trojan keine unbedeutende Station Hugo Balls, sondern teils Keimzelle des "Cabaret Voltaire". Dabei setzt er darauf, dass Dada nicht aus dem Nichts entstanden ist, er folgt quasi Hans Arp: "Bevor Dada da war, war Dada da."

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(Foto: Archivio GBB)

Wegbereiter des Dadaismus: Hugo Ball und seine Frau, die Schriftstellerin Emmy Hennings, die sich kennen lernten, als Ball Dramaturg an den Kammerspielen war.

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(Foto: Hulton Archive/Getty Images)

Im vollen Dada-Ornat: Hugo Ball bei seinem Auftritt als "Magischer Bischof" mit hohem Schamanenhut aus Pappe am 23. Juni 1916.

Andreas Puff-Trojan stützt sich auf die Biografie Hugo Balls. 1886 wird der Schriftsteller und Bühnenkünstler in Pirmasens geboren. Nach der Schule studiert er in München und Heidelberg, bricht das Studium ab, geht nach Berlin, um dann 1912 als Dramaturg an die Münchner Kammerspiele zurückzukommen. Hier trifft er auf die Künstlergruppe "Der Blaue Reiter", pflegt den Kontakt zu Kandinsky, entwickelt seine Vorstellungen von einem neuen Theater und arbeitet mit Kandinsky, Franz Marc, Oskar Kokoschka und Paul Klee an einem "Theater-Almanach". Der Krieg verhindert die Vollendung des Druckwerks. Aber die Ideen sind bereits in München da, solche wie die Forderung "Kopf statt Verstand", die Idee des Simultanen, wortähnliche Gebilde. In Zürich kommt all dies dann zur bekannten Reife.

Neben einer theoretischen Entwicklung verweist Puff-Trojan auch auf Balls praktische Erfahrungen und seine Begegnungen in München: Hier lernte der Dadaist nicht nur die Gruppe um den "Blauen Reiter" kennen, sondern viele Künstler aus der Schwabinger Bohème, unter anderen Emmy Hennings, die mit Ball nach Zürich ging und bei der Gründung des "Cabaret Voltaire" mitwirkte. Wie Ball war Hennings an öffentliche Auftritte gewöhnt, die Künstlerkneipe "Simplicissimus" spielte dabei eine erhebliche Rolle. So schlussfolgert Puff-Trojan: "Ohne das Paar Hugo Ball und Emmy Hennings - die sich in München kennengelernt haben und hier Theatererfahrung sammelten - wäre das Cabaret Voltaire in Zürich höchstwahrscheinlich nicht gegründet worden. Unter den Spiegelgassen-Dadaisten waren sie die einzigen, die Bühnenerfahrung hatten."

Hugo Ball: "Karawane". (Foto: Public Domain)

Seine Beweisführung wird Puff-Trojan bei der Eröffnung "Dada dahoam" im Stadtarchiv genauer präsentieren, bei der er gemeinsam mit Bernhard Rusch über die Verbindung von Dada und München spricht und Dada-Texte gelesen werden. Zwei Tage später wird bei "Da! Da Valentin" zu hören sein, wie Karl Valentin sich zu Dada verhält. Und wie Dada in Zürich klang, darum geht es bei "Dada simultan" am 22. Juni. Zwei weitere Abende im Juli und September befassen sich mit zeitgenössischen Künstlern, die sich in Zusammenhang mit Dada bringen lassen.

Für Dada klingt diese chronologische Veranstaltungsreihe arg geordnet. "Dada war kein Linienbus", räumt auch Puff-Trojan ein. Vielleicht lässt sich aber in und für München der Beweis, dass Dada etwas mit der Stadt zu tun hat, am besten in ordentlichen Bahnen nachvollziehen. Ein bisschen antirevoltär sozusagen. Trotzdem: Es dürfte spannend werden - bis zum Schluss, wenn dort Michael Lentz gemeinsam mit Valeri Scherstjanoi Gegenwarts-Lautpoesie auf die Bühne des Lyrik Kabinetts bringt. "Dada als Wort ist vornehmlich eine Verwaltungsangelegenheit der Unberufenen und Verklemmten geworden, die einmal so richtig was wagen wollen", schreibt nämlich Lentz in einem Aufsatz. Der ist übrigens mit "Nie wieder Dada!" übertitelt. Also doch kein Dada in München? Gä weida!

Gä weida Dada. 100 Jahre Dada und München , Eröffnung: Dada dahoam , Dienstag 31. Mai, 19 Uhr, Stadtarchiv; Da! Da Valentin , Donnerstag, 2. Juni, 19 Uhr, Innenhof des Isartors

© SZ vom 31.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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