Kunstfund in München:Zoll bezweifelt Ansprüche von Museen

Museen werden nach Einschätzung der Ermittler keine Bilder aus Gurlitts Sammlung zurückbekommen: Die Nazis hatten die Kunstwerke per Gesetz beschlagnahmt und an den Händler verkauft. Aber einige jüdische Erben können hoffen. In einem Brief an den "Spiegel" soll Gurlitt sich geäußert haben.

Die von den Nazis einst als "entartet" beschlagnahmten Bilder im Besitz des Kunsthändler-Sohns Cornelius Gurlitt gehören ihm nach Einschätzung des Zollkriminalamts (ZKA) rechtmäßig. Das Nachrichtenmagazin Focus und Bild am Sonntag zitierten aus einem ZKA-Bericht an das Bundesfinanzministerium, dass diese 315 Kunstwerke "ausschließlich aus staatlichen und städtischen Museen bzw. Landesmuseen stammen". Deshalb dürften "Rückgabe/Restitutionsansprüche der ehemaligen Eigentümer nicht durchsetzbar sein".

Es sei auch zweifelhaft, dass Gurlitt wegen hinterzogener Einfuhrumsatzsteuer angeklagt werde. Die Augsburger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den 79-jährigen Gurlitt wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und Unterschlagung. Im Februar 2012 hatte sie in Gurlitts Münchner Wohnung 1406 Bilder beschlagnahmt, was erst vergangene Woche bekannt wurde.

Gurlitt soll einen Brief an den Spiegel geschrieben haben, das berichtet das Nachrichtenmagazin in seiner Online-Ausgabe. Darin bittet er angeblich darum, den Namen seiner Familie "nicht mehr in Ihrem Blatt erscheinen zu lassen".

Laut Bild am Sonntag hatte Gurlitts im Jahr 1956 gestorbener Vater, der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, dem Propagandaministerium im Jahr 1940 etwa 200 sogenannte "entartete" Kunstwerke für 4000 Schweizer Franken abgekauft - darunter "Bauernfamilie" von Pablo Picasso, "Spaziergang" von Marc Chagall und "Hamburger Hafen" von Emil Nolde. 1941 habe er dem Staat dann weitere 115 Kunstwerke abgekauft. Hildebrand Gurlitt starb 1956. Bei der Razzia bei seinem Sohn im Februar 2012 beschlagnahmten die Ermittler laut Focus auch Hildebrand Gurlitts Geschäftsbücher. Darin seien die Namen jüdischer Sammler vermerkt, denen er Bilder abgekauft habe, meist für Spottpreise.

In der Wohnung von Cornelius Gurlitt seien auch 181 Bilder beschlagnahmt worden, die mit "großer Wahrscheinlichkeit" einem jüdischen Sammler in Dresden gehört hätten, der sie vor seiner Flucht unter dem Druck des Nazi-Terrors verkauft habe. Die Erben des Sammlers hätten nach Einschätzung des Zolls Anspruch auf Rückgabe der Werke. Das gelte auch für mindestens 13 Bilder aus Cornelius Gurlitts Wohnung, die den einstigen Eigentümern von NS-Organisationen abgepresst oder unter Druck verkauft worden seien.

Ein Erbe des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim, Michael Hulton, sagte dem Focus: "Ich bin entrüstet darüber, dass die deutschen Behörden, die doch seit vielen Jahren darauf hinweisen, dass man sich bei der NS-Raubkunst dem Gebot der Transparenz verpflichtet fühlt, diesen Fund so lange geheim gehalten haben." In einer TNS-Emnid-Umfrage für Focus sagten 85 Prozent der Befragten, Gurlitts Sammlung sollte ausgestellt werden. Eine Delegation des Kanzleramts besprach dem Magazin zufolge am Freitag im bayerische Justizministerium Möglichkeiten, die Liste von Gurlitts Bildern rasch zu veröffentlichen.

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