Kunstfälschung:Vor dieser Dame wurde gewarnt

Drei alte Meisterwerke aus der Sammlung Giuliano Ruffinis stehen unter Verdacht, darunter eine "Venus mit Schleier", angeblich von Cranach. Haben die Cranach-Experten sich also getäuscht? Ist gegen solche Täuschung keiner gefeit?

Von Michael Kohler

Die Geschichte klingt wie aus einem Handbuch für Kunstfälscher: Über Jahre hinweg trug der heute 71-jährige Franzose Giulano Ruffini bis dahin völlig unbekannte Gemälde alter Meister zu Auktionshäusern und Kunsthändlern, die sich von Ruffinis dubiosen Quellenangaben nicht beirren ließen - mal sollte das jeweilige Werk vom Freund eines spanischen Herzogs stammen, mal von einer leider schon vor langer Zeit verstorbenen Geliebten. Ruffini behauptete zudem nie, dass er einen echten Frans Hals oder einen echten Lucas Cranach besitzen würde. Es waren die Kunsthändler, die, gestützt auf Gutachten namhafter Experten, die Werke als spektakuläre Entdeckungen feierten und mit üppigen Aufschlägen weiterveräußerten.

Es wäre nicht das erste Mal, dass einem Fälscher sein Handwerk durch die Sehnsucht des Kunstmarkts nach frischer Ware maßgeblich erleichtert wird. Mittlerweile stehen drei alte Meister aus der Sammlung Ruffinis unter Verdacht, moderne Fälschungen zu sein (SZ vom 21. 10.), eine Schlüsselrolle spielt dabei die von der französischen Polizei beschlagnahmte "Venus mit Schleier". Sie soll von Lucas Cranach dem Älteren stammen und gehört seit 2013 den Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein, die dafür sieben Millionen Euro zahlten. Bald könnte die "Venus" allerdings auch als klassisches Beispiel dafür gelten, wie geschäftliche Interessen bei kunsthistorischen Zuschreibungen die Oberhand gewinnen.

Jeder könnte auf eine gut gemachte Fälschung hereinfallen

Der Basler Cranach-Forscher Dieter Koepplin gehörte zu den Gutachtern, die die auf Eichenholz gemalte "Venus" zunächst für echt hielten - mittlerweile ist er von diesem Urteil abgerückt. Er berichtet am Telefon, wie ihn der Kunsthändler Konrad Bernheimer um seine Einschätzung gebeten und ihn dabei sanft "von meinen Zweifeln weggezogen" habe: "Ich war nicht vollends überzeugt, und empfahl, eine Holzanalyse durchzuführen." Diese wurde laut Koepplin allerdings erst in Auftrag gegeben, nachdem die Venus nach Liechtenstein verkauft war. Koepplin hält das für fahrlässig: "Wenn ein Gutachter weiß, dass jemand sieben Millionen Euro für ein Werk bezahlt hat, ist er nicht mehr ganz frei."

Für Michael Hofbauer, der 2014 den mutmaßlichen Cranach-Fälscher Christian Goller auffliegen ließ, ist die Holzanalyse allerdings ohnehin ein untaugliches Mittel; für die Fälscher sei es ein Leichtes, an alte Holztafeln heranzukommen. Hofbauer ist "zu 100 Prozent" überzeugt, dass die "Venus mit Schleier" gefälscht ist: "Die Risse in der Farbschicht ziehen sich netzartig über das Bild und haben keinen Bezug zur Holztafel. Es ist unmöglich, dass dies durch einen natürlichen Alterungsprozess entstanden ist." Hofbauer glaubt, dass prinzipiell niemand davor gefeit ist, auf eine gut gemachte Fälschung hereinzufallen. Das Problem liegt für ihn eher darin, dass "viele Experten ihre Reputation gefährdet sehen, wenn sie zugeben, sich geirrt zu haben". Und dann lieber schweigen.

Gunnar Heydenreich vom Kölner Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft hat die Liechtensteiner Venus selbst untersucht. Er wurde von den französischen Ermittlern als Experte hinzugezogen und fand "mehrere Unterschiede zu gesicherten Cranach-Werken, etwa hinsichtlich Materialwahl, Technik und Alterungsprozess". Heydenreich sagt auch, dass in einem vor dem Verkauf der Venus nach Liechtenstein in Großbritannien angefertigten technischen Gutachten empfohlen wurde, "das Werk weitergehend zu untersuchen". Das Londoner Auktionshaus Christie's stellte sein Werben um die Venus daraufhin ein.

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