Kunstberater:Der Schatten des Sammlers

Der Fall Achenbach war eine unrühmliche Ausnahme. Dennoch würden verbindliche Regeln dem Ansehen der Art Consultants nützen - und dem gesamten Markt.

Von Ulrich Clewing

Sechs Jahre Gefängnis, ganz schön happig. Aber es ging schließlich auch um Untreue und Betrug in zweistelliger Millionenhöhe. Und weil, wie der zuständige Richter in seiner Urteilsbegründung ausführte, in Deutschland "auch Superreiche kein Freiwild" seien, muss der Düsseldorfer Kunstberater Helge Achenbach, der dem Aldi-Erben Berthold Albrecht frisierte Rechnungen ausgestellt hatte, an seinen Aufenthalt in der Untersuchungshaft noch etwas dranhängen. Der tiefe Fall des Promi-Freundes, den plötzlich keiner mehr kennen wollte, hat in den letzten Monaten ein grelles Licht auf eine Branche geworfen, die eigentlich von der Diskretion lebt. Und wie so oft entstand dabei ein schiefes Bild der Wirklichkeit. Denn natürlich fälscht nicht jeder Art Consultant Rechnungen.

Im Gegenteil: Sie sind eine wichtige Instanz des Marktes und nicht nur dann gefragt, wenn ein Sammler bei seinem Händler oder auf einer Auktion ein Werk erwerben möchte, aber keine Gelegenheit hat, sich persönlich darum zu kümmern. Kunstberater übernehmen die Produktion von Katalogen und anderen Publikationen. Sie evaluieren und archivieren Bestände, machen Vorschläge, wie eine Sammlung möglicherweise noch klarer strukturiert wird. Sie sind nicht nur Vermittler, sondern können Kuratoren, Berater, Vertraute sein - und sind nicht selten auch selbst als Händler tätig.

In den USA, wo Art Consultants wesentlich verbreiteter sind als in Europa, halten sie an renommierten Universitäten Vorlesungen über Entwicklungen am Kunstmarkt. Manche, wie die New Yorkerin Lisa Schiff, sind nicht nur Experten auf ihrem Gebiet, sondern selber Sammler und Mitglieder der High Society. Andere, zum Beispiel die überwiegend von Paris aus operierende Patricia Marshall, gelten als Musterbeispiele für Seriosität und Verlässlichkeit. Und wenn Brad Pitt einen seiner regelmäßigen Besuche auf der Kunstmesse Art Basel absolviert, dann begleitet ihn natürlich sein Kunstberater.

Berliner Galeristin

"Wenn man das Gefühl hat, ein Art Advisor kauft nur Arbeiten, um sie ein Jahr später mit massivem Gewinn wieder auf den Markt zu werfen, sollte man tunlichst die Finger davon lassen."

In Deutschland steckt der Geschäftszweig dagegen noch in den Anfängen. Doch auch hier gibt es immer mehr Kunstliebhaber, die am Anfang ihrer Sammlertätigkeit stehen und Unterstützung brauchen, um nicht an der Vielfalt und Unübersichtlichkeit des Angebotes zu scheitern. Bei den typischen Kunstberatern handelt es sich meist um Fachleute, die zuvor lange für eines der großen Auktionshäuser gearbeitet haben. Die selber Galeristen waren oder bei angesehenen Händlern auf dem Secondary Market Erfahrungen gesammelt haben.

Andere kommen aus der Wissenschaft und versuchen nun, ihre Kenntnisse denen zu anzubieten, die mit ihnen zwar die Leidenschaft für Kunst teilen, aber so anstrengende Jobs haben, dass sie jemanden brauchen, der ihnen einen Teil der Arbeit abnimmt. Und es ist keineswegs so, dass die Inanspruchnahme der Dienste eines Kunstberaters oder einer Kunstberaterin nur Großsammlern mit den sprichwörtlichen unbegrenzten Mitteln offen steht. Einen Art Consultant kann sich auch derjenige leisten, der mit deutlich niedrigeren Budgets operiert.

Das soll nicht heißen, dass das Verhältnis von Art Consultants zu Künstlern, Sammlern und Galeristen unproblematisch ist. Ähnlich wie bei letzteren existieren kaum formale Voraussetzungen für den Beruf. Art Consultant kann sich jeder nennen, der in der Lage ist, Visitenkarten drucken zu lassen. Und so tummeln sich etliche schwarze Schafe auf dem Markt. "Die Spekulation mit Kunstwerken hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen", sagt eine bekannte Berliner Galeristin. "Wenn man das Gefühl hat, ein Art Advisor kauft nur Arbeiten, um sie ein Jahr später mit massivem Gewinn wieder auf den Markt zu werfen, sollte man tunlichst die Finger davon lassen." Tatsächlich kann dieses so genannte Flipping erheblichen Schaden anrichten, für die Künstler, aber auch für Sammler. Erst steigen die Preise rasant - und bald darauf stürzen sie wieder ab. Im schlimmsten Fall kann so etwas eine Karriere beenden.

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Der Fall Achenbach war eine unrühmliche Ausnahme, findet Ulrich Clewing. Verbindliche Regeln würden dem Ansehen der Kunstberater und dem Markt nützen.

(Foto: REUTERS)

Nicht selten kommt es auch zu Situationen, bei denen Art Consultants und Sammler Galeristen regelrecht in die Zange nehmen. "Gerade auf einer Messe wie der Art Basel Miami Beach machen wir häufig die Erfahrung, dass in den ersten Tagen zunächst die Consultants unseren Stand besuchen", sagt der Berliner Galerist Hannes Kuckei. "Später kommen sie mit Sammlern wieder, dann fangen die Preisverhandlungen an." Das läuft so: Zuerst fragt der Sammler nach einem Nachlass. Später erscheint noch mal der Consultant und will für die Vermittlung auch seine Prozente. So entstehen Zwangslagen. Wehrt der Galerist sich gegen den doppelten Preisnachlass, gefährdet er den Geschäftsabschluss und verärgert damit im Zweifel seinen Künstler. Zieht er mit, bleibt ihm nach Abzug der Kosten für Ausstellungsräume und Messeteilnahmen, Mitarbeiter und Transporte kaum noch etwas übrig.

Manchmal lassen sich die Berater auch Arbeiten reservieren und bieten sie dann mehreren Sammlern gleichzeitig an - ein klarer Verstoß gegen seriöse Verkaufspolitik, der bei den Betroffenen entsprechend unbeliebt ist.

Deshalb plädieren einige Galeristen für die Gründung eines Berufsverbandes für Kunstberater. So gäbe es die Möglichkeit, Richtlinien festzulegen und bei Verstößen Sanktionen zu verhängen. "Die Gründung einer Interessenvertretung für Kunstberater und ein Verhaltenscodex für die Mitglieder wäre sicher eine gute Sache," sagt Kristian Jarmuschek vom Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG).

Denn bei aller Verschwiegenheit, die in der Kunstwelt herrscht, sollten sich alle Beteiligten klarmachen, dass diese Szene sehr klein ist. Da ist bei unschönen Konflikten, die durch doppelte Honorierung oder das übereilte Kaufen und Verkaufen von Kunstwerken entstehen, der eigene Ruf schnell beschädigt. Und darum wäre es in den meisten Fällen doch sehr schade.

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